„Unser Projekt stellt keine Lösung für die Armut dar, es soll einfach Bedürftigen das Gefühl geben, dass sie sich nicht in einer Gesellschaft befinden, die immer nur wegschaut.“ Mit „unser Projekt“ meinen Yvonne Fekih und ihr Sohn Yasar Celik, Inhaber der Bäckerei Back-König, Bleichstraße 11, eine Initiative aus Nächstenliebe: „Statt nur für sich können Kunden seit dem 24. Dezember auch für Bedürftige etwas kaufen“, erklären die Inhaber.
Die Käufer können – für einen Kaffee, Kakao oder was sie spenden möchten – entweder einen Coupon ausgestellt bekommen, den sie weitergeben, oder sie „parken“ etwa den Kaffee in der Bäckerei. „Und es läuft trotz der Feiertage schon schon sehr gut an: Die Kunden haben schon ein Dutzend Coupons gekauft und fast alle sind schon eingelöst worden“, erzählt Yvonne Fekih. Nachdem ein Kunde 20 Euro gespendet hatte, haben die Inhaber an Silvester Kaffee und Tee am Faulbrunnenplatz an Bedürftige ausgeschenkt. „Die Menschen haben sich sehr gefreut. Ich habe Ihnen dann auch vor Ort von unserem Projekt erzählen können“, sagt Yvonne Fekih.
Angst hat sie nicht, dass andere Kunden abgeschreckt werden könnten, wenn zum Beispiel zu viele Obdachlose die Bäckerei besuchen. „Nein, man kann ja immer miteinander reden. Nur wenn einer total alkoholisiert ist, kriegt er nichts. Erst wieder, wenn er nüchtern ist.“ Bald werde außerdem eine Ampel im Schaufenster montiert, erzählt Fekih weiter. Sie soll anzeigen, ob es etwas gibt. „Grün zeigt an, dass Spenden erworben wurden, Rot zeigt an, dass nichts mehr da ist“.
Yvonne Fekih: „Bei dieser Initiative sind wir auf das große Herz und die Hilfsbereitschaft der Mitbürger angewiesen. Oft spendet man ins Ausland, aber es gibt auch in Wiesbaden genug Menschen, die Hunger leiden.“
„Wir haben lange überlegt, wie wir Menschen, denen es weniger gut geht, helfen können“, erzählt die 39-Jährige. „Zwar spenden wir jeden Abend alles, was übrig bleibt und am nächsten Tag nicht mehr verkauft werden kann, dem Landesverband Hilfe zum Leben und Prävention, aber jeder kennt die Situation: Man gibt Bedürftigen Geld, und davon wird oft Alkohol gekauft.“
Damit sei nicht geholfen, erzählt die Inhaberin der Bäckerei. Daher habe man die „Kaffee-Patenschaft“ ins Leben gerufen. Dass es die Tradition in Italien schon lange gibt, haben Mutter und Sohn erst bei ihrer Umfrage auf Facebook erfahren. Dabei fragten sie die Kunden, was diese vom Projekt halten. Den
Inhabern ist bewusst, dass es „eigentlich nur um Nächstenliebe geht“, erzählt der 21- Jährige. „Einer hat uns darauf hingewiesen, dass dieser Brauch in Italien schon lange existiert, dort wird allerdings ,nur‘ der Espresso gespendet, bei uns gibt es auch Brötchen, Croissants & Co.“, sagt Fekih.
„Caffè sospeso“: Brauch aus Italien
„Caffè sospeso“, also aufgehobener Kaffee, nennt sich die Tradition aus Italien. Dort wird außer dem eigenen Kaffee auch ein weiterer bezahlt, der notiert und auf Nachfrage einem Bedürftigen ausgeschenkt wird. Nach dem Ersten Weltkrieg konnte sich nicht jeder einen Kaffee leisten. In Neapel kam die reiche Oberschicht auf die Idee, dass es eine nette Geste sei, den Armen einen Kaffee zu kaufen, denn wer das Geld für einen Espresso hatte, konnte sich auch einen zweiten leisten.
„Es ist traurig zu sehen, wie viele Menschen auf eine so kleine Hilfe angewiesen sind. Daher wollen wir bewusst keine Nahrungsmittel in den Müll werfen. In den ersten Monaten nach der Eröffnung sind meine Mutter und ich sogar nach Ladenschluss durch Wiesbaden gefahren und haben vielen Obdachlosen unsere Brötchen angeboten. Daher hoffen wir, dass unsere Kunden es genauso sehen wie wir und uns bald in unserem Vorhaben unterstützen werden. Jeder kann helfen – und wie man so schön sagt: Nur gemeinsam sind wir stark“, ist sich Yasar Celik sicher.
Foto & Text: Debora De Nisi
Gepostet in: //Allgemeines, //Essen und Trinken, //Westend
Tags: Back-König, Bäckerei, Bleichstraße, Geschäft, Kaffee, Mensch!Westend, Nächstenliebe, Westend, Wiesbaden, Yasar Celik, Yvonne Fekih