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„Aktuelle Lage ist ein Weckruf“: Interview mit Imam Dzinic über Zusammenleben mit Muslimen

27. Februar 2015 · rmd_admin

"Jede Frage darf gestellt werden": Imam Fahrudin Dzinic in der Moschee der bosniakischen Gemeinde in der Rheinstraße.

„Jede Frage darf gestellt werden“: Imam Fahrudin Dzinic in der Moschee der bosniakischen Gemeinde in der Rheinstraße.

Der Anschlag auf das Satiremagazin „Charlie Hebdo“, die islamkritische Pegida-Bewegung, der IS-Terror und zunehmende Angriffe auf Moscheen in Europa: Die Stimmung in der Gesellschaft ist angespannt. Wir haben mit Fahrudin Dzinic, Imam der Islamischen Gemeinschaft der Bosniaken in Wiesbaden, über das Zusammenleben mit Muslimen gesprochen.

Herr Dzinic, mehr als jeder Zweite in Deutschland stuft den Islam laut einer Bertelsmann-Studie als Bedrohung ein. Wie erklären Sie sich das?
Natürlich hat das mit den aktuellen Geschehnissen in der Welt zu tun. Aber ich kann es nicht nachvollziehen: Ist das Zusammenleben hier wirklich so schlimm? Wirken die muslimischen Nachbarn, Kollegen oder Bekannten in Wiesbaden wirklich bedrohlich? Die Aktionen einiger Verrückter sollten unsere guten Beziehungen vor Ort nicht beeinflussen.

Koranverse wie „Tötet sie, wo immer ihr auf sie trefft“ irritieren Nichtmuslime. Erlaubt der Koran Gewalt?
Dieser Vers wird leider immer verkürzt zitiert und aus dem Kontext gerissen. Der Vers ist in einer Zeit offenbart worden, als Muslime angegriffen und vertrieben worden sind. Er soll darauf hinweisen, dass man sich verteidigen darf und Gewalt nicht hinnehmen muss. Der Islam verbietet Angriffskriege. Sie finden übrigens in jeder Religion ähnliche Textstellen.

Wie kommt es dann, dass die Paris-Attentäter meinen, ihren Propheten wegen ein paar Karikaturen mordend rächen zu müssen?
Wenn man genau hinschaut, sind es oft Leute, die vorher nicht wirklich religiös waren und ihre Religion nicht verstanden haben: Der Prophet war in seiner Lebenszeit vielen Anfeindungen ausgesetzt, auch aus der eigenen Familie. Und trotzdem ist er immer für Frieden und Vernunft eingetreten. Man darf die Taten weniger nicht auf eine ganze Religion, auf 1,5 Milliarden Muslime beziehen.

Wie haben Sie und Wiesbadener Muslime auf den Anschlag reagiert?
Zunächst einmal habe ich das Attentat wie jeder andere Bürger verurteilt, auch öffentlich in der Freitagspredigt. Wie auch bei einer Mahnwache gemeinsam mit anderen muslimischen Gemeinden am Mauritiusplatz. Jeder Muslim, den ich hier kenne, war bestürzt. Gleichzeitig können sie nicht verstehen, warum die Menschen nicht ähnlich empört reagiert haben, als im letzten Jahr 2000 Zivilisten, davon über 500 Kinder, in Gaza getötet worden sind.

Bei der Mahnwache haben Sie betont, dass Meinungsfreiheit nicht bedeute, die Gefühle von Gläubigen zu verletzen…
…ja, denn was bringt es unserer Gesellschaft, wenn wir das Heiligste anderer nicht respektieren? Und der Prophet Mohammed – wie auch Jesus und Moses – haben nun mal eine ganz besondere Bedeutung für Muslime. Aber es darf niemals so reagiert werden wie von den Attentätern in Paris.

Es wird in Deutschland viel über den Islam diskutiert, die Stimmung ist angespannt. Gab es Vorfälle in Wiesbaden, die das bestätigen?
Manche hatten das Gefühl, dass sie kritisch beäugt werden, wenn sie sich mit „Salam Alaikum“ begrüßen. Und mir wurde berichtet, dass in einem Gymnasium Mitschüler nicht mehr neben einem muslimischen Mädchen sitzen wollten. Aber insgesamt ist unsere Stadt weltoffen. Ich bin stolz, Wiesbadener Bürger zu sein.

Wir hatten auch hier zwei Fälle von jungen Menschen, die sich der Terrormiliz IS in Syrien anschließen wollten. Wie kann das passieren?
Hier müssen wir alle selbstkritisch sein. Die muslimischen Gemeinden haben es versäumt, in den vergangenen Jahren eng zusammenzuarbeiten und auf die Alltagsprobleme junger Menschen stärker einzugehen. In diese Lücke sind Radikale und Pseudo-Imame gestoßen. Auf der anderen Seite gibt es immer noch zu viele Benachteiligungen für Migranten, was etwa Bildung und den Arbeitsmarkt angeht. Dies führt zu Verzweiflung, Frust und einer Identitätskrise.

Wie müssen Muslime und Nichtmuslime nun miteinander umgehen?
Ich sehe die aktuelle Lage trotz allem als Chance, als Weckruf Gottes: Wir müssen alle mehr Verantwortung für unsere Gesellschaft übernehmen. Muslime und Moscheen müssen aufhören, sich zu verstecken, sie müssen raus aus den Hinterhöfen. Sie müssen noch stärker in die Öffentlichkeit und den Dialog suchen. Sie sollten den noblen Charakter Mohammeds nachahmen und versuchen, in jeder Hinsicht Vorbild zu sein.

Was erwarten Sie von der Mehrheitsgesellschaft?
Dass, wenn etwas Schlimmes auf der Welt passiert, sich die Menschen daran erinnern, wie gut das Zusammenleben hier schon funktioniert. Es sollten zudem mehr Rahmenbedingungen für einen Dialog geschaffen werden. Jede Frage darf an uns gestellt werden, unsere Tür ist offen. Wichtig ist, dass Wissende, also Gelehrte gefragt werden. Und nicht irgendwelche Hobby-Imame.

Zur Person:

Seit 21 Jahren ist Fahrudin Dzinic (42), geboren in Zvornik/Bosnien, Imam der bosniakischen Gemeinschaft in Wiesbaden, die ihren Sitz schon in der Helenen-, Hellmund- und der Schwalbacher Straße hatte. Heute sitzt die Gemeinde mit 200 Mitgliedern wie auch der bundesweite Dachverband in der Rheinstraße 64. In Wiesbaden gibt es laut Integrationsamt 16 Moscheen, davon fünf im Westend.

Interview & Foto: Erdal Aslan

Gepostet in: //Welt, //Westend
Tags: Charlie Hebdo, Imam, Islam, Islamische Gemeinschaft der Bosniaken, Kulturen, Migranten, Moschee, Muslime, Pegida, Religion, Westend, Wiesbaden, Zusammenleben

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