Seit über elf Jahren ist Salih Dogan Vorsitzender des Ausländerbeirats. Bei der Wahl am Sonntag, 29. November, tritt der 35-Jährige, der auch für die CDU im Stadtparlament sitzt, nicht nochmal an. Wir haben mit ihm über die Zukunft des Beirats und die anstehende Wahl gesprochen (Infos zur Wahl: siehe unten).
Herr Dogan, Sie treten bei der kommenden Ausländerbeiratswahl nicht mehr an. Sind Sie amtsmüde?
Nein. Ich trete aus persönlichen Gründen nicht mehr an, aber vor allem, weil ich mich aufs Stadtparlament konzentrieren will. Außerdem kann ein Führungswechsel jedem politischen Gremium frischen Wind bringen.
Welche Erfolge hat der Beirat mit Ihnen erzielt?
Zum Beispiel haben wir uns erfolgreich dafür eingesetzt, dass auch in Wiesbaden bekenntnisorientierter islamischer Religionsunterricht angeboten wird. Als der Islamunterricht in Hessen als Pilotprojekt eingeführt wurde, war zunächst keine Wiesbadener Schule vorgesehen. Auch war die Städtepartnerschaft mit einer türkischen Stadt eine Idee des Beirats.
Der Ausländerbeirat hat keine Stimme bei Abstimmungen im Stadtparlament. Was kann er überhaupt bewirken?
Wir sind die gewählte Interessenvertretung für die ausländischen Bürger, von denen viele kein Kommunalwahlrecht haben. Wir haben einen Sitz im Stadtparlament sowie in den Ausschüssen. Zwar haben wir „nur“ eine beratende Funktion, doch wir können ein Anliegen direkt vor Ort platzieren – und somit die städtische Politik mitgestalten. Ohne uns würde eine offizielle Brücke zu den Migranten fehlen.
Sehen die Migranten das auch so? Die Wahlbeteiligung lag 2010 bei nur 8,5 Prozent.
Dass die Wahlbeteiligung so niedrig ist, hat viele Gründe. Viele Eingebürgerte – wie auch ich und die Hälfte des Beirats – können zwar kandidieren, aber selbst nicht wählen. Dazu sind städtische Politiker natürlich nicht so präsent in den Medien wie Bundes- oder Landespolitiker.
Die Wahlbeteiligung könnte jetzt noch geringer ausfallen: Es stellen sich weniger Listen als früher zur Wahl. Warum?
Ich denke, dass diese Leute nicht wirklich verstanden haben, wofür der Beirat steht, was er machen kann und was nicht. Vielleicht sind sie enttäuscht, weil sie eine falsche Erwartung hatten. Außerdem treten einige Mitglieder, die den Beirat über die Jahre geprägt haben, altersbedingt nicht mehr an.
Drei größere türkische Listen fehlen bei dieser Wahl. Löst sich damit die türkische Dominanz im Beirat auf, die oft kritisiert wird?
Ich würde mir wünschen, dass der Beirat bunt gemischt ist. Aber zu meinem Demokratieverständnis gehört auch: Wenn diese Listen gewählt werden, muss man das akzeptieren und darf ihnen das nicht zum Vorwurf machen.
Auch der Biebricher Verein „Türkischer Jugend- und Kulturbund“, der der rechten türkischen Partei MHP nahe steht, tritt nicht mehr an. Warum?
Ich habe gehört, dass der Verein aus Protest darüber, wie mit ihm in der Öffentlichkeit und in der Politik umgegangen worden war, nicht mehr antritt. Genaueres weiß ich auch nicht.
Viele Ausländer sind ja mittlerweile eingebürgert. Wäre es eigentlich nicht Ziel, dass es irgendwann keinen Ausländerbeirat gibt?
Das wäre für mich weder Ziel noch Wunsch. Selbst wenn alle Ausländer eingebürgert wären und Kommunalwahlrecht hätten, ist der Beirat nicht zu ersetzen. Würde diese Gleichung aufgehen, bräuchte man zum Beispiel auch keinen Seniorenbeirat mehr. Dessen Mitglieder haben alle Wahlrechte, aber sie sind eine Interessenvertretung für einen Teil der Gesellschaft – wie wir auch.
Trotzdem gibt es Reformpläne.
Ja, der Landesausländerbeirat arbeitet an einem Reformpaket. Darin ist die Idee enthalten, Eingebürgerte wählen zu lassen. Auch der Name steht schon länger in der Diskussion. Ich würde mir eine Änderung in „Integrationsparlament“ wünschen, da wir die Integrationspolitik der Stadt mitgestalten.
Was kann der Ausländerbeirat zur Integration der Flüchtlinge beitragen?
Der Beirat ist näher dran an den Betroffenen. Beispielsweise gibt es die syrische Liste, deren Kandidaten zum Teil selbst Familienangehörige haben, die als Flüchtlinge hier sind. Zum anderen kann der Beirat die politischen Gremien beraten, allein wegen des Backgrounds und der Erfahrung, den die Mitglieder mitbringen. Diese Aufgabe könnte zum Schwerpunkt der Beiratsarbeit in der kommenden Amtsperiode werden.
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Interview: Natascha Gross und Erdal Aslan
Foto: Erdal Aslan
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