Frühere Gäste der Kultkneipe „Bumerang“ von Sylvi Bernhardt in der Wellritzstraße erzählen ihre Anekdoten:

Hans Peter Schickel
WOHNZIMMER IN DER WELLRITZSTRASSE
Ein Ort, an dem man Leute trifft, die einem einfach sympathisch sind. Für Hans Peter Schickel hat der Bumerang zum Westend dazugehört. „Der Bumerang war immer mit dabei“, sagt Schickel, Ortsbeiratsmitglied im Westend .
Zudem sei die Kneipe von Beginn an auch für junge Leute attraktiv gewesen. „So ein Angebot gab es vorher in Wiesbaden eigentlich nicht“, sagt Schickel. „Der Bumerang war eine Alternativzone, in der es auch gerne mal politisch wurde.“
Mit der Zeit habe sich das Publikum dann aber etwas gewandelt. „Er wurde auch zu einem Wohnzimmer für alleinstehende Männer“, erzählt Schickel. Und in diesem Wohnzimmer sei Sylvi die „gute Seele“ gewesen. „Sie hatte für jeden immer ein offenes Ohr“, sagt Schickel über die Wirtin, die eigentlich Sylvelin Bernhardt heißt. Doch im Bumerang kenne man sie nur als Sylvi.
Besonders sei auch die Einrichtung ihrer Kneipe gewesen. Neben der waschechten Musikbox, die unter den Gästen für Stimmung sorgte, sind Schickel vor allem die Lampen im Gedächtnis geblieben. „Die Beleuchtung bestand eigentlich aus Glühbirnen, über die Körbe drübergestülpt waren.“ Ein Anblick, der durchaus seinen Charme hatte. „Das sah in dem gepflegten Zustand wirklich toll aus.“

Albert Ernst
GURKENSALAT IN DER KNEIPE
Albert Ernst war ein Stammgast im „Bumerang“. Und erlebte Geschichten, die „woanders nicht passiert wären“. Als Beispiel erinnert er sich an einen Sommertag, an dem er nach dem Einkaufen eher zufällig am „Bumerang“ vorbeikam. In seiner Tasche hatte er Gemüse, Tabak, Fladenbrot und Wein. „Eben Sachen, die man so für die nächsten Tage braucht“, sagt Ernst .
Aus dem Umhängebeutel von Ernst guckte zudem eine Gurke heraus. Und die blieb von Wirtin Sylvi nicht unbemerkt, während sie ein kleines Bier anzapfte. „Sie sagte: ‚Gib mir mal die Gurke, ich mach dir einen Gurkensalat .‘ Ich habe mich gefragt, woher sie nur weiß, dass ich wirklich gerne Gurkensalat esse. Oder weiß sie generell eigentlich alles?“, erinnert sich Ernst .
Neben dem Essen habe diese Geste aber auch eine besondere Eigenschaft von Sylvi gezeigt. „Das war typisch. Diese Selbstverständlichkeit, mit der sie für andere irgendetwas gemacht hat, wenn sie gerade mal eine Hand frei hatte“, sagt Ernst .
Zu ihrem 80. Geburtstag erhielt Sylvi vor zwei Jahren dann ein besonderes Geschenk. Ein Dankeschön, für die vielen gemeinsam verbrachten und unvergesslichen Stunden im „Bumerang“. Einige Stammgäste kamen auf die Idee, ein Buch zu gestalten. Darin sammelten sie kleine Geschichten und Sprüche von ehemaligen Gästen, die sich an ihre Zeit im „Bumerang“ erinnerten.
Ernst , der Grafikdesigner ist, gestaltete das immer voller werdende Werk im Laufe eines Jahres. „Es haben sich alle möglichen Leute beteiligt“, sagt er und freut sich: „Besonders schön war, dass wir Sylvi überraschen konnten. Niemand hat ihr von der Idee erzählt.“

Michael Bischoff
HAUSEIGENE BIBLIOTHEK UND „SAALTÖCHTER“
In seinen 33 Jahren als Ortsvorsteher im Westend hat Michael Bischoff sicher viele Diskussionen geführt. Und auch im „Bumerang“ ging es mitunter heiß zur Sache. „Die Nachbarn rechts und links haben sich auch gerne mal eingemischt“, sagt Bischoff. „Manche Leute haben ja zu allem etwas zu sagen.“
Das Schöne im „Bumerang“: Die meisten Diskussionen seien mithilfe der hauseigenen Bibliothek gelöst worden. „Es gab schon einige Wörterbücher und Nachschlagwerke“, sagt Bischoff. „Dann hat man einfach das Richtige rausgesucht und die Diskussion geklärt.“
Mit Folgen für den Verlierer des Wortstreits. „In der Regel musste der Verlierer dann eine Runde Schnaps oder Bier bezahlen.“ Und das habe dann wohl nicht jedem gepasst. „Manchmal ist es vorgekommen, dass dann auch einer ein paar Wochen nicht mehr gekommen ist“, sagt Bischoff. Das sei aber nie von langer Dauer gewesen. „Die Sehnsucht nach dem Bumerang war eigentlich immer zu stark.“
Im Gedächtnis geblieben sind Bischoff außerdem die sogenannten „Saaltöchter“. So hießen die Kellnerinnen im „Bumerang“. Eine Bezeichnung, die in Wiesbaden einzigartig war. Ein Rätsel, dass sich für Bischoff erst im Laufe der Jahre löste – trotz der Nachschlagewerke: „Ein Schweizer hat mir dann irgendwann erklärt, dass damit die Kellnerinnen gemeint sind. In der Schweiz ist das normal.“
Texte: Stephan Crecelius
Fotos: Erdal Aslan, Friedrich Windolf, RMB/Heiko Kubenka
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