Wie auf einer beleuchteten Bühne stehen die Künstler in ihren Werkstätten, wenn es draußen dunkel wird. Durch die großen bodentiefen Bogenfenster im Erdgeschoss des denkmalgeschützten Georg-Buch-Hauses sehen die Passanten jeden Pinselstrich. Das war auch die Grundidee der Atelieretage Westend in der Walramstraße 16a. Ganz nah an den Menschen vor Ort. Mit dem Viertel. Für das Viertel.

Künstler-Quartett (von links): Nicole Fehling, Emad Korkis, Rita Marsmann und Christiane Mader sind in der Atelieretage kreativ.
Vier ganz individuelle Persönlichkeiten haben hier ihren Platz zum Arbeiten, Schaffen und Kreativ-Sein gefunden. „Ein echter Glücksfall“, sagt Rita Marsmann, denn geeignete Räume für Kunstschaffende seien selten in der Stadt, „oft sind sie heruntergekommen und völlig überteuert“. Marsmann selbst ist Diplom-Designerin. Auf ihre Initiative hin ist die Atelieretage Westend vor vier Jahren entstanden. Mit Kommunikationsdesignerin und Künstlerin Nicole Fehling, Fotografin und Künstlerin Christiane Mader und Maler Emad Korkis ist das Kreativ-Quartett komplett.
Jedes Atelier eine bunte Welt
So unterschiedlich wie ihre Kunst sind auch die jeweiligen Ateliers. Fehlings bevorzugtes Arbeitsmaterial ist Papier. In ihrem Atelier entstehen aus dem Material unterschiedlichste Formen und Objekte. Korkis hat sich der Malerei verschrieben. Im Atelier von Marsmann entstehen Bilder in den unterschiedlichsten Techniken, eine _Facette ihrer Arbeit ist die poetische Fotografie. In den Werken von Christiane Mader trifft Fotografie auf glitzernde Rettungsdecken. Dabei entstehen unter anderem farbenfrohe Bilder, aktuell zum Thema Sport. Jedes Atelier für sich ist eine kleine, bunte Welt, mit ganz eigenem Charakter, eigenen Gerüchen, individueller Einrichtung. „Die Räume sind wie ein Tagebuch“, sagt Marsmann. Hier kehren sie ihr Inneres nach außen, geben viel von ihrer Gefühlswelt preis.
Gleichzeitig hat die Atelieretage eine soziale Funktion. Mitten im inneren Westend gelegen, repräsentiert sie nicht nur die Künstlerszene des Viertels, sondern belebt auch die Ecken um das Georg-Buch-Haus herum. So habe sich die Straße vor den Fenstern der Atelieretage mittlerweile zum festen Treffpunkt etabliert. „Meine Fenster beleuchten abends die Baumscheibe gegenüber des Ateliers“, sagt Nicole Fehling. Im Sommer sitzen hier überwiegend Frauen mit Kindern. Nicht selten reicht die Künstlerin mal einen Stuhl durchs Fenster oder gibt den Kindern Papier zum Basteln. „Und wenn ich gehe und das Licht ausmache, wird es draußen still.“ Sie mag den Austausch, „auch wenn es manchmal etwas bei der Arbeit stört“, gibt sie zu.
Klingelstreiche von Kindern
An Arbeitsunterbrechungen in Form von Klingelstreichen hat sich auch Christiane Mader schon gewöhnt. „Es sind eben Kinder. Sie sehen, dass wir da sind, klingeln und rennen kichernd davon.“ Die Freude an ihrem Atelier verdirbt es der Künstlerin jedoch nicht. „Wir begegnen hier tollen Menschen, hören viele verschiedene Sprachen von der Straße“, sagt Mader. „Hier laufen Kinder vorbei, alte Menschen – sie alle gehören hierher und machen das Viertel aus.“
- Die Gemälde von Emad Korkis.
- Christiane Mader bei der Arbeit.
- Arbeitsmaterialien von Rita Marsmann.
- Der Arbeitsplatz von Nicole Fehling.
Aus dieser bunten Vielfalt im Westend schöpfen die Künstler der Atelieretage täglich ihre Inspiration. Das Projekt entstand mit der Unterstützung des Städtebauförderungsprogramms „Soziale Stadt“. Neben der künstlerischen Arbeit war der Bezug zum Viertel eine wichtige Voraussetzung bei der Bewerbung für die Atelierplätze. „Bevor wir hier einzogen, kannten wir uns kaum. Durch die Atelieretage hat sich das grundlegend geändert.“, betont Marsmann lächelnd.
Die gemeinsame Nutzung der Räume klappt reibungslos. Auch ohne festgeschriebene Regeln. Und wenngleich jeder zum Arbeiten in seine ganz eigene Welt eintaucht, sind sich die vier bei einer Sache einig: „Es ist schön, dass immer jemand da ist, mit dem man sich austauschen kann, denn als Künstler ist man eigentlich sehr einsam.“
Termin: Am Sonntag, 19. März, gibt es von 14 bis18 Uhr die Gelegenheit, Atelieratmosphäre zu schnuppern: Die Kunstschaffenden sind vor Ort und laden herzlich dazu ein, sie und ihre Kunst direkt am Ort des Entstehens kennenzulernen und ins Gespräch zu kommen.
Text & Fotos: Liudmila Shkirtovskaya
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