Der Stuttgarter Özcan Cosar gilt als einer der Shootingstars der deutschen Comedyszene. In seinen Shows nimmt sich der 36-Jährige mit Wortwitz, Tanz und Gesang der deutsch-türkischen Befindlichkeiten und anderer Themen an – mal im Straßenslang, mal schwäbelnd. Am 25. Oktober tritt er mit seiner neuen Show „Old School – Die Zukunft kann warten“ in Mainz und am 13. Dezember mit seinem erfolgreichen Programm „Du hast dich voll verändert“ in Wiesbaden auf. Wir haben ihn zum Interview getroffen.

Özcan Cosar in der Wellritzstraße, als er wegen einer Benefizveranstaltung in Wiesbaden zu Besuch war. Am 13. Dezember tritt der Stuttgarter im Schlachthof auf.
Herr Cosar, Sie waren Breakdancer, Veranstalter, Zahnarzthelfer, Sport- und Tanzlehrer und im Schlüsseldienst tätig – ist das die ideale Vorbereitung auf den Comedian-Job?
Ich habe immer das gemacht, worauf ich Bock hatte. Ich bin am Ende Comedian geworden, weil ich es liebe, wenn Leute um mich herum lachen. Denn Lachen ist schöner als Sex. Ich könnte den ganzen Tag lachen, aber wer will schon den ganzen Tag Sex haben.
Stimmt es, dass in Ihrem Abschlusszeugnis „Zahnarzthelferin“ steht?
Ja, das Zeugnis habe ich sogar noch. Zahnarzthelfer bin ich geworden, weil es sich geil anhört, wenn du sagst: Ich bin zahnmedizinischer Fachangestellter. Bei mir in der Gegend (Stuttgart-Hausen) haben sie gedacht, ich bin Arzt.
In Ihren Shows erzählen Sie oft, überspitzt, Geschichten aus Ihrer Vergangenheit. Haben Sie das wirklich alles erlebt?
Bei mir muss es echt sein, authentisch. Ich erzähle Dinge, die ich erlebt habe oder mich selbst interessieren. Auch in der neuen Show „Old School“ geht es darum, wie ich aufgewachsen bin, wie es in der Schule war oder auch wie ich einen Teil der aktuellen Show in der Türkei geschrieben habe.
Wie schreibt man eine Comedyshow?
Wenn ich sage, ich habe sie geschrieben, ist das eine glatte Lüge. Ich habe meine Ideen zusammengetragen. Zum Beispiel notiere ich „Krieg vor 400 Jahren, Mann gegen Mann, ohne Waffen“. Daran ist erst mal gar nichts lustig. Aber mit der Zeit entwickelt sich das, und ich steige in eine virtuelle Zeitmaschine, in der ich den Zuschauer mitnehme.
Im Untertitel Ihrer Show heißt es „Die Zukunft kann warten“ – warum?
Wir warten immer auf irgendetwas in der Zukunft, auf das neue iPhone, die nächste Erfindung… Jetzt soll die Zukunft auf uns warten. Lasst uns unsere Erinnerungspakete aufschnüren, anschauen … und dann kann man sich auf die Gegenwart einlassen. Statt immer ängstlich zu schauen, was morgen passiert. Wenn der Nord-Koreaner auf den Knopf drückt, dann bringt der Bausparvertrag ja auch nichts mehr.
Besuchen Ihre Shows mehr Türkisch- oder Deutschstämmige?
Fifty-fifty würde ich sagen.
Passen Sie die Show an, wenn Sie merken, es sitzen mehr Türken beziehungsweise Deutsche im Publikum?
In meiner Anfangszeit habe ich das mal gemacht, das ist voll in die Hose gegangen, denn ich war nicht mehr ich selbst. Ich achte nicht mehr darauf, dass ich alle anspreche, sondern erzähle das, was ich selbst lustig finde.
Nervt es Sie, als deutschtürkischer Comedian wahrgenommen zu werden?
Ehrlich gesagt: Ja. Denn bei einem deutschstämmigen Comedian wird die Herkunft auch nicht betont. Ich habe natürlich Geschichten, in denen es um deutschtürkische Befindlichkeiten geht. Aber auch oft Themen, bei denen ich das gar nicht aufgreife. In Deutschland brauchen wir aber anscheinend diese Schubladen.
Und als was fühlen Sie sich?
Ich sage immer, wir sind Herkunftszwitter. In der Türkei bist du der „Deutschländer“, weil wir nicht so sprechen können wie sie. Und hier bist du der Türke, obwohl du superintegriert bist. Den Leuten ist es egal, wie wir uns fühlen, sondern wichtig, wie sie uns zuordnen.
Sie sprechen aber noch Türkisch?
Das ist aber ein Basic-Türkisch. Als ich in der Türkei mal eine Autopanne mit einem Mietwagen hatte und mich beschweren wollte, habe ich gemerkt, wie katastrophal mein Türkisch ist. Ich fühle mich in der deutschen Sprache heimisch. Und natürlich im Schwäbischen.

„Ich will, dass die Zuschauer die Welt durch meine Augen sehen.“
Seit zehn Jahren sind Sie deutscher Staatsbürger – waren Sie wählen?
Ja, ich habe auch in meiner Show fürs Wählengehen geworben.
Hat Sie das Wahlergebnis der AfD überrascht?
Nein, nicht wirklich. Rassismus oder rechtspopulistische Tendenzen sind nichts Neues, das ist wieder salonfähig geworden. Ich habe mich nur gefragt, wie viele Menschen sich dieses Mal trauen, das offen zu zeigen. Mich hat damals eher Sarrazin mit seinen kruden Thesen schockiert und dieses „Das darf man ja wohl noch sagen“. Da fängt das Übel an. Das habe ich dann auch mal in einigen Shows erwähnt, weil ich das auf dem Herzen hatte.
Sonst lassen Sie eigentlich Politik außen vor.
Weil ich mich frage, ob das die Leute von mir hören wollen. Dafür sind zum Beispiel Volker Pispers, Max Uthoff oder Hagen Rether besser geeignet, sie machen investigatives Kabarett, die wissen genau, was in den letzten acht Legislaturperioden passiert ist. Ich mache Özcantigatives: Ich will, dass die Zuschauer in meinen Kopf steigen, durch meine Augen die Welt sehen und einfach einen schönen Abend haben.
Würden AfDler Spaß in Ihrer Show haben?
Ich denke, Nazis schauen heimlich meine Show und amüsieren sich. Aber sie können es nicht weitererzählen, denn sonst dürfen sie keine Nazis mehr sein.
Hat Ihr Humor Grenzen?
Ich mache keine Witze über Religionen. Meine Familie und ich selbst sind religiös, auch wenn wir das nicht an die große Glocke hängen. Aber über die Menschen, also die Gläubigen, erlaube ich mir schon, Scherze zu machen. Dass ich über Jesus und seine Wunder Witze gemacht habe, haben einige kritisiert. Dabei geht es dort eigentlich um einen schwäbischen Bademeister, der – typisch deutsch – kritisch beäugt, wie Jesus übers Wasser geht.
Sind Ihre Eltern stolz auf das, was Sie machen?
Mein Vater hat immer gepredigt, Hauptsache du kannst deine Familie versorgen. Als sie dann mal in der Show waren, haben sie vor Stolz geweint.
TICKETS
Özcan Cosar tritt am Mittwoch, 25. Oktober, im Frankfurter Hof in Mainz mit seiner Show „Old School – Die Zukunft kann warten“ auf (Tickets für 22,30 Euro). Am Mittwoch, 13. Dezember, präsentiert er im Schlachthof in Wiesbaden (25,30 Euro) sein Bühnenprogramm „Du hast dich voll verändert“. Karten können unter www.ztix.de oder www.eventim.de und an allen bekannten Vorverkaufsstellen erworben werden.
Interview: Erdal Aslan
Fotos: Özcan Cosar, Erdal Aslan
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