Die Blücherschule im Wiesbadener Westend blickt dieses Jahr auf eine bewegte Historie zurück. Am 27. Oktober 1897 fand hier erstmals Unterricht statt. Die einzige Ganztagsgrundschule in Wiesbaden feiert ihr 120-jähriges Bestehen aber erst am 16. Juni 2018 – Umbauarbeiten auf dem Schulhof verhindern zurzeit die Austragung einer Feier. „Dann möchten wir alles so machen wie vor 120 Jahren, wie ziehen uns alte Kostüme an, spielen Spiele wie damals, fragen die Auringer Hochradfahrer und vielleicht noch einen Leierkastenspieler an“, so Schulleiterin Monika Frickhofen. Die geplanten Feierlichkeiten sollen die Tradition in Ehren halten.

Die Blücherschule um 1926: Die heutige Ganztagsschule im Westend wurde nach dem preußischen Generalfeldmarschall Gebhardt Leberecht von Blücher benannt.
Die Blücherschule bemüht sich mit ihrem Unterrichtskonzept, Schülern kreativen Freiraum und ein ausgelassenes Miteinander zu bieten. In den vergangenen Jahren hat die Schule die Titel „Europaschule“ und „Musikalische Grundschule“ für ihr Engagement in der Lehre erhalten. Die Grundschule pflegt enge Kontakte zu europäischen Partnerschulen, greift EU-Themen im Lehrplan auf und bietet zahlreiche musikalische Projekte an. Die Schüler erhalten auch regelmäßig Besuch von Lehrern der Wiesbadener Musik- und Kunstschule.
Chancengleichheit für die Schüler
Vor drei Jahren schaffte die Blücherschule den Sprung zur Ganztagsschule. „Wir haben uns bereits vor 15 Jahren darüber Gedanken gemacht“, so Frickhofen. Im Westend lebten vermehrt Kinder mit Migrationshintergrund und Kinder aus sozial schwächeren Schichten. „Wir möchten für unsere Schüler eine Chancengleichheit“, so die Schulleiterin. Aus diesem Grund werden die Schüler an drei Tagen von 8 bis 16 Uhr und an zwei Tagen von 8 bis 14 Uhr unterrichtet. Der Unterschied zur Halbtagsschule mit Betreuung liegt darin, dass die Schüler bis zum Nachmittag klassisch unterrichtet werden. Allerdings mit vielen auflockernden Elementen, einer ausgedehnten Mittagspause und einer Dreiviertelstunde, in der die Beschäftigung frei gewählt werden darf.

Der ehemalige Ortsvorsteher des Westends, Michael Bischoff, und Schulleiterin Monika Frickhofen mit einem Bild der Blücherschule von 1900.
Zwischen 1897 und 2017 hat sich einiges getan: 21 Klassen mit 487 Schülern werden heute von 37 Lehrkräften unterrichtet. Der ehemalige Ortsvorsteher und Ex-Blücherschüler Michael Bischoff erinnert sich heute noch an seine Schulzeit vor 61 Jahren zurück: Ein großer weißer Strich verlief damals quer über den Pausenhof und trennte die früher noch zweigeteilte Volksschule in einen Jungs- und einen Mädchenbereich. „Und wenn man diese Linie überschritten hat, gab es eine Bestrafung, nicht selten auch Ohrfeigen“, so der heute 67-Jährige.
Drei bis vier Pädagogen kümmern sich um eine Klasse
Mit bis zu 40 Klassenkameraden habe er seinerzeit in hörsaalähnlichen Räumen gesessen, erinnert sich Bischoff. Die gesamte Klasse wurde lediglich von einem Lehrer unterrichtet. Heute kümmern sich etwa drei bis vier Pädagogen um eine Klasse.

Der Blick von der Blücherstraße/Ecke Scharnhorststraße zeigt die neue Sporthalle vor dem Gebäude der Blücherschule.
Gegründet wurde die Schule zu einer Zeit, in der Wiesbaden einen dramatischen Bevölkerungszuwachs verzeichnete. Lebten im Jahr 1880 nur 50000 Menschen hier, so waren es 1905 bereits mehr als 100000 Einwohner. Ein Großteil der Zuwanderer waren Arbeitssuchende. Für sie wurde schließlich ein neuer Stadtteil am westlichen Ende Wiesbadens gegründet: das Westend. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurden in Wiesbaden viele neue Schulen gebaut, um dem Zuwachs gerecht werden zu können –die Blücherschule war eine von ihnen.
Feldmarschall ist Namensgeber
Benannt wurde sie nach dem preußischen Generalfeldmarschall Gebhardt Leberecht von Blücher, der ausschlaggebend am Sturz Napoleons beteiligt war. „In Ortsbeiratssitzungen kam schon häufiger die Frage auf, ob der Name für eine Grundschule der Richtige ist“, so Frickhofen. Ursprünglich war die Blücherschule jedoch nicht als solche erdacht. Aber auch wenn Blücher nicht unbedingt repräsentativ für die Ideale der heutigen Grundschule im Westend ist, so Bischoff, sei es wichtig, die Vergangenheit der Schule in Ehren zu halten.
Text: Konstantin Müller
Fotos: Stadtarchiv, Konstantin Müller, Erdal Aslan
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