Ohne das „Lokal“ am Sedanplatz ist die Gastroszene im Westend nicht vorstellbar. Doch genau darauf müssen sich die Wiesbadener demnächst einstellen: Das Restaurant – eines der kulinarischen Wohnzimmer des Westends – stellt nach über 18 Jahren am 31. Mai seinen Betrieb ein. „Der Entschluss ist im Laufe des vergangenen und Anfang dieses Jahres gereift“, sagt das Geschwisterpaar Martina und Michael Breidenbach einstimmig. „Der Laden läuft super, daran liegt es nicht. Aber für uns ist es Zeit, neue Wege einzuschlagen.“

Sie sagen auf Wiedersehen: Michael und Martina Breidenbach schließen das „Lokal“ am Sedanplatz zum 31. Mai.
Maßgeblich zu der Entscheidung haben die fortwährenden Schikanen und Forderungen des (damals) neuen Hauseigentümers, die Bechtholsheim See GmbH, in den vergangenen eineinhalb Jahren beigetragen, der unter anderem das Doppelte der bisherigen Miete verlangte (wir berichteten). Der Höhepunkt der Zermürbungstaktik war eine Annonce auf der Onlineplattform Immobilienscout24, in der das Lokal trotz bestehenden Vertrags zur Miete angeboten wurde. Erst mit anwaltlicher Hilfe konnte die Annonce nach fünf Monaten entfernt werden. „Das hat natürlich alles viel Geld und Kraft gekostet“, sagt Martina Breidenbach, die dennoch versuchte, mit neuen Angeboten wie der veganen Küche weiterhin mit Leidenschaft und Kreativität dabeizubleiben.

Die Terrasse des Lokals – hier beim WM-Finale 2014, als Deutschland Fußball-Weltmeister wurde.
Raus aus der Selbständigkeit für neue Aufgaben
Doch diese Zeit hat die Gedanken bei den Breidenbachs in Gang gesetzt: Will man überhaupt noch über das Vertragsende am 31. Mai dieses Jahres hinaus weitermachen? „Wir hatten 2013 sowieso einen fünfjährigen Vertrag abgeschlossen und wollten dann schauen, was wir machen“, berichtet die 51-Jährige. Die Selbständigkeit fordert unglaublich viel ab, ob zeitlich oder körperlich. Davon können alle Gastronomen, die so viel Herzblut wie die Breidenbachs reinstecken, ein Lied singen. „Und Anfang dieses Jahres hatte ich gesundheitliche Probleme und bin mehrere Wochen ausgefallen“, erzählt Küchenchef Michael, dessen Kochkünste zum Markenzeichen des Lokals geworden sind – man denke nur an das Putenschnitzel oder den Rumpsteak mit Pfeffersoße. Während seines Ausfalls musste Martina gemeinsam mit Aushilfsköchen den Laden stemmen. „Die Gäste können natürlich herausschmecken, wenn das Schnitzel plötzlich anders schmeckt“, sagt der 50-Jährige.
Diese Wochen waren schlussendlich das i-Tüpfelchen für die Entscheidung der beiden, denn die Abhängigkeit voneinander wurde nochmals offensichtlicher. „Deshalb haben wir uns entschieden, dass wir rausgehen aus der Selbständigkeit, um neue Wege in der Gastronomie zu beschreiten.“ Denn das Geschwisterpaar ist keineswegs arbeitsmüde oder ausgelaugt, im Gegenteil: Die beiden haben schon angefangen, sich zu bewerben, um ihre jahrelange Erfahrung an anderer Stelle zur Geltung zu bringen. Sie wollen sich beruflich und privat weiterentwickeln, neu orientieren, betonen sie. „Momentan fühlt es sich nach all den Jahren zwar noch surreal an, dass wir das Lokal aufgeben. Wir gehen mit einem weinenden Auge, aber auch mit einem lachenden Auge“, sagt Martina.

Ein Foto aus dem Jahr 2011: Michael und Martina Breidenbach servieren mit spürbarer Freude leckere Speisen.
Großer Dank für Unterstützung der Gäste
Natürlich tut es den Breidenbachs für die vielen Stammgäste leid, die sie über die Jahre begleitet haben: „Besonders im vergangenen Jahr haben wir gemerkt, wie viele Menschen hinter uns stehen, wie sie mitfiebern, wie sie uns unterstützen. Dafür sind wir ihnen unendlich dankbar.“ Doch auch ein neuer Eigentümer, der Anfang dieses Jahres das Haus gekauft hat und zu Gesprächen bereit war, konnte die beiden nicht umstimmen. „Wir hatten uns schon entschieden, dass wir aufhören.“
Mit dem Abschied des „Lokals“, das vor 18 Jahren „das Licht am Sedanplatz angeknipst“ und das Viertel gastronomisch belebt hatte, verliert der als neuer Hotspot Wiesbadens gefeierte Platz einen weiteren Anzugspunkt. Im März verließ das „tante simone“ den Sedanplatz, der erst 2016 ins Leben gerufene „Westend Garden“ hat seit einiger Zeit geschlossen, da sich die beiden Inhaber im Rechtsstreit befinden. Immerhin wolle der neue Eigentümer am liebsten eine Gastronomie als Nachfolger des Lokals. Sollte es einen Nachfolger geben, wird dieser in große Fußstapfen treten: Denn das „Lokal“ hat nicht nur durch die Küche, dem Frühstücksangebot und die beliebten Partys Gastrogeschichte im Viertel geschrieben. Die Gäste haben das Restaurant mit Bar, das von Anja Schmidt und Karim Teufel gestaltet wurde, auch unter anderem für Feiern zu Geburtstagen und Taufen genutzt.
Ein letztes Mal „Tanz in den Mai“ am 30. April
Damit ist es nun vorbei. Doch beim Tanz in den Mai mit der Band „TripAdLib“, eine der letzten großen Partys im „Lokal“, haben die Gäste nochmal die Gelegenheit, mit den Breidenbachs zu feiern. Sie waren auch die Ersten, die 2000 eine „Tanz in den Mai“-Feier in dieser Gegend organisierten. „Das war ein absoluter Hit. Die Leute standen teilweise auf der Verkehrsinsel, weil es so voll war“, erinnert sich Martina. Kein Zweifel, dass es am 30. April ähnlich zugehen wird. Wenn das „Lokal“-Feeling noch einmal auflebt.
Text: Erdal Aslan
Fotos: Erdal Aslan, Heiko Kubenka
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