
Hunderte Meter lange Schlangen wie am türkischen Konsulat in Mainz gab es bis zum 19. Juni in Deutschland, weil Türken bei den Wahlen teilnehmen wollten.
Knapp 1,4 Millionen Türken aus Deutschland sind für die bevorstehenden Wahlen in der Türkei wahlberechtigt. Sie konnten bis zum 19. Juni ihre Stimme in den Konsulaten hierzulande abgeben, bis zum 24. Juni können sie das noch an den Grenzen zur Türkei tun. Nicht nur Türken in Deutschland, auch Menschen anderer Nationalitäten können in ihrem Heimatland an Wahlen teilnehmen. Doch macht es Sinn, dass sie mitwählen dürfen, wenn sie nicht in dem jeweiligen Land leben? Also im Alltag auch nicht von der Politik in ihrem Herkunftsland betroffen sind?
Pasquale Casella, 28 Jahre alt, italienischer Staatsangehöriger: „Ich kann die Leute verstehen, die für ihr Herkunftsland wählen, wenn sie lange dort gelebt haben oder ein Teil der Familie noch dort wohnt. Aber prinzipiell finde ich es Quatsch, dass Leute an den Wahlen in ihrem Herkunftsland teilnehmen, wenn sie in Deutschland leben. Die meisten haben doch nicht wirklich Ahnung, was alltäglich in ihrem Land abgeht. Ich selbst habe einen italienischen Pass und gehe nicht wählen. Ich bin in Wiesbaden geboren. Deshalb habe ich keinen großen Bezug zu Italien und auch nicht zu der Politik dort. Ich kann mir auch nicht vorstellen aus Deutschland wegzuziehen.“
Noor Youfi, 20 Jahre alt, tunesische Staatsangehörige: „Ich wohne erst seit einem Jahr in Deutschland und studiere hier, aber meine Eltern leben in Tunesien. Daher habe ich einen engen Bezug zu meinem Heimatland und möchte nur das Beste für mein Land. Ich bin der Meinung, man sollte an den Wahlen in seinem Herkunftsland teilnehmen. Man weiß ja nie, ob man nicht doch mal in sein Heimatland zurückziehen möchte. Deshalb sollte man von seinem Recht Gebrauch machen und auch die Verantwortung, die man mit dem Wahlrecht erhält, mittragen. Ich habe einen tunesischen Pass und habe bis jetzt noch nie gewählt, kann mir aber gut vorstellen, bei der nächsten Wahl teilzunehmen. Eben weil ich mich verantwortlich fühle für mein Land.“
Gürbüz Yildiz, 50 Jahre alt, türkischer Staatsangehöriger: „Ich lebe seit über 30 Jahren hier, meine Kinder sind deutsche Staatsbürger. Daher ist es mir zunächst wichtig, dass Deutschland wirtschaftlich und politisch gut geführt wird. Dennoch pflege ich weiterhin enge Beziehungen zur Türkei, wo ich aufgewachsen bin. Meine Eltern und Geschwister leben dort, ich bin zwei, drei Mal im Jahr bei ihnen. Deshalb finde ich es wichtig, auch von hier aus mitwählen und mitbestimmen zu können, von wem die Türkei geführt wird. Geht es dem Land zum Beispiel wirtschaftlich gut, geht es auch meinen Verwandten gut und sie brauchen weniger Unterstützung von mir. Außerdem ist das Wahlrecht ein Privileg, von dem man Gebrauch machen sollte, egal wo man lebt.“
Sabine Keller, 56 Jahre alt, deutsche Staatsangehörige: „Es kommt darauf an, wie verbunden die Menschen mit ihrem Herkunftsland sind. Vielleicht wollen sie ja auch nochmal in das Land zurück oder es weiterhin mitgestalten. Wenn man die Staatsangehörigkeit besitzt und in dem Sinn noch Bürger des Landes ist, sollte man auch das Recht zu wählen wahrnehmen. Ich habe einen deutschen Pass und möchte auch in Deutschland wohnen bleiben. Sollte ich aber mal auswandern, würde ich auch mein Heimatland noch mitgestalten wollen. Ich kann auch verstehen wenn Migranten ihre ausländische Staatsbürgerschaft behalten wollen, grade wenn sie noch nicht lange in Deutschland sind.
Umfrage & Fotos: Julia Kleiner
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