Zweiter Teil: Die Koffer sind gepackt, die Geschenke verstaut und das Auto voll beladen – auf geht‘s in die Heimat. Dieses Szenario kommt wohl vielen ehemaligen Gastarbeitern oder Gastarbeiterkindern bekannt vor. Seit den 60er und 70er Jahren machen sich viele Zuwandererfamilien traditionell in den Sommermonaten auf, um ihre Verwandten in den oft Tausenden Kilometern entfernten Herkunftsländern zu besuchen. Zwei Wahl-Wiesbadener aus Griechenlad und der Türkei haben Mensch!Westend von ihren spannenden Abenteuerreisen erzählt. Hier lesen Sie den zweiten von zwei Teilen der Titelgeschichte unserer Sommerausgabe.
Start des Fastenmonats Ramadan: Wiesbadener Imam Ihsan Toköz im Interview

Ihsan Toköz ist der Imam der Süleymaniye Moschee in der Dotzheimer Straße in Wiesbaden. Foto: Erdal Aslan
Ramadan ist der Fastenmonat der Muslime. 29 Tage lang verzichten die Gläubigen von der Morgendämmerung bis zum Sonnenuntergang auf Rauchen, Essen und Trinken. An Montag, 6. Mai, beginnt die Fastenzeit der Muslime, die mit dem dreitägigen Ramadanfest endet. Ihsan Toköz, Imam der Süleymaniye Moschee in Wiesbaden, beschreibt, wie sich das Fasten für Körper und Geist anfühlt und was der heilige Monat dem 34-Jährigen und seiner Gemeinde bedeutet. Continue reading
Tanz in den Mai am Sedanplatz: Gastronomien bieten Livemusik und Streetfood an
Auch in diesem Jahr wird am Sedanplatz in den Mai getanzt. In allen Locations rund um den Platz gibt es am Dienstag, 30. April Livemusik bei freiem Eintritt und später öffnet auch noch der Dancefloor im Schwarzen Salon (Heaven). Außerdem bietet das Lokal, Riesling im Hindukusch und auch die Pizzeria Molise Streetfood an. Das Programm der einzelnen Locations:
- Das Lokal, Seerobenstraße 2: Der „Klassiker“ seit Jahren ist der Tanz in den Mai im Lokal, diesmal wieder mit den sagenhaften „Trip Ad Lib“ als fulminanter Live-Act und DJ-Team.
- Riesling im Hindukusch, Seerobenstraße 1: Livemusik mit J. Sanders & Friends ab 19 Uhr, Rock & Pop Band mit dem Wiesbadener Songwriter Andreas Krause. Jörg „Bob“ Sanders rockt seit vielen Jahren deutsche Bühnen. Von Rock & Pop über Blues, Soul und Folk bis hin zu Country ist alles in seinem Repertoire. Immer im Gepäck: Gitarre, eine unverkennbare Stimme und sein Cowboyhut. Immer ein Versprechen: „Veranstaltungen mit J. Sanders werden zum außergewöhnlichen Gänsehautmoment!“Ab 22 Uhr versorgt DJ Bluecoat die Besucher mit elektronischer Kost (Deep/Tech/Afro-House). https://www.facebook.com/BluecoatOfficial.
Streetfood: Andreas März (Premium Grill Experte) im Hindukusch. „Der bekannte Wiesbadener Grill Experte smoked für euch in seinem Big Green Egg saftige Hähnchenspieße natürlich nach Hindukusch Art! Darüber hinaus gibt es weitere Leckereien und Weine vom Glyg.“
- Schoppenhof, Sedanplatz 9: Livemusik mit Puerto Hurraco Sisters ab 22.30 Uhr, Ska-Jazz-Reggae mit Frau Doktor- und Spermbirds-Personal.
Was passiert, wenn man 50 Prozent der Wiesbadener SkaPunkSoul-Helden von Frau Doktor mit dem musikalischen Mastermind von Bands wie Spermbirds oder Kick Joneses und einen jungen talentierten Posaunisten zusammenbringt? Richtig! Man bekommt eine Ska-Jazz-‚Boygroup‘ der Extraklasse. Es grooved, macht Spaß und sitzt wie ’n 60er-Jahre-Kleid!
- Heaven, Sedanplatz 5: Livemusik mit New Orleans Duo ab 20 Uhr, Acoustic Blues/Soul mit Larry und Norbert.
Das New Orleans Duo begleitet das Publikum mit ihrem Repertoire aus neuen und alten Blues- und Soul-Nummern auf einer musikalischen Reise durch die Südstaaten der USA. Die ideale, musikalische Begleitung für den Tanz in den Mai. Um 22 Uhr öffnet der „Schwarze Salon“. Resident DJ „Jens Müller“ aka Mr. Ping startet mit Hits der 80-90-00 und endet mit feinsten elektronischen Beats. Eintritt: 5 Euro.
- Pizzeria Molise, Sedanplatz 3: Streetfood: Mit hausgemachter Salsiccia zaubert der liebe Nico leckere Paninis für die Besucher.
Geschäftswelt: Französische Tacos im „Wellritzgrill“, Wein im „12 Korken“, „WonderWaffel“ und „Pizzeria Di Grazia“

Am Freitag öffnet der „Wellritzgrill“ in der Wellritztstraße 23 die Pforten. Der Betreiber Cem Özdemir (rechts) freut sich auf seinen ersten Laden.
In der Wellritzstraße 23 – dem früheren Ladengeschäft von „Angel Schäfer“ – gibt es (wieder) eine Neueröffnung. Nun ist der Laden an einen 23-jährigen türkischstämmigen Wiesbadener vermietet, der dort „nicht die typische Dönerbude“ schaffen will, wie er betont: Cem Özdemir will in seinem Imbissrestaurant mit dem Namen „Wellritzgrill“ unter anderem „französische Tacos“ anbieten – ab Freitag, 22. März, von 14 Uhr an. „Außer auf Getränke gibt es an diesem Tag 50 Prozent Rabatt“, sagt er. Die französischen Tacos (5 Euro) kann man mit vier verschiedenen Fleischsorten, Käse, Pommes Frites und einer größeren Auswahl an Soßen wie etwa Andalus, Phili Phili oder Samurai belegen. Mit ähnlichem Inhalt sollen auch die Baguettes, Burger oder auch der Dürüm serviert werden.
Özdemir hat sich ein bisschen von der französischen Fast-Food-Kette O‘Tacos inspirieren lassen, will aber in seinem ersten Laden etwas Eigenes schaffen. Erfahrung in der Gastronomie habe er schon als Mitarbeiter in Restaurants von Verwandten sammeln können, wie er erzählt. Der Laden ist inzwischen komplett saniert, umgestaltet und alte Geräte mit neuen ausgetauscht worden. Insgesamt gibt es im Innenbereich zehn Sitz- und drei Stehplätze, draußen gibt es zunächst sechs Sitzplätze. Özdemir freut sich, wenn die Fußgängerzone in der Wellritzstraße am 12. April eingerichtet wird, um dann noch mehr im Sitzplätze auf der Straße anzubieten. Die Öffnungszeiten nach dem Eröffnungstag: 11 bis 0 Uhr. Continue reading
„The Voice of Germany“: Sängerin Kaye-Ree singt und trifft Fans im Studio ZR6 im Wiesbadener Westend
Von Erdal Aslan
Ein lautes Raunen geht durch das Studio ZR6. Unverständnis macht sich bei den etwa 70 Besuchern breit, als die Entscheidung bei der Casting-Show „The Voice of Germany“ gegen Kathrin „Kaye-Ree“ Eftekhari fällt. „Pfui“ ruft jemand aus dem Publikum. Kaye-Ree, die früher einige Jahre im Wiesbadener Westend wohnte, ist dagegen entspannt und lächelt. Die Sängerin kannte die Entscheidung der aufgezeichneten Sendung auf Sat1 schon. Nachdem sie ihren ersten Auftritt in der Show gemeinsam mit Familie und Freunden in der Kulturstätte am Zietenring 6 geschaut hatte (wir berichteten), ist sie am Sonntagabend erneut zu Besuch. Dieses Mal dürfen auch Fans teilnehmen: ZR6-Macher Sascha Burjan hatte 40 Gratis-Karten für ein „Meet & Greet“ auf Facebook mit der Soul-Sängerin verlost, die innerhalb weniger Stunden vergriffen waren.
Kritik an Briefzustellung im Westend: „Wir gehen jeder Beschwerde nach“ – Interview mit Post-Pressesprecher
„Leider ist es nicht mehr selbstverständlich, pünktlich und zuverlässig seine Briefe und Pakete zu erhalten.“ So lautete einer der Facebook-Kommentare, nachdem diese Zeitung im Juni über Bürger berichtete, die die Briefzustellung im Viertel kritisierten. Daraufhin gab es viele Reaktionen, auch von Anwohnern aus anderen Vierteln, die sich der Kritik anschlossen. Wir haben erneut Heinz-Jürgen Thomeczek, Pressesprecher bei der Deutschen Post, auf die Kritik angesprochen. Continue reading
Internationales Sommerfest am 1. September auf dem Wiesbadener Schlossplatz
Zum 43. Mal wird am Samstag, 1. September, gemeinsam mit verschiedenen ausländischen Vereinen und Institutionen das Internationale Sommerfest auf dem Schlossplatz vor dem Rathaus gefeiert. Das Fest (von 10 Uhr bis etwa 22.30 Uhr) ist eine Plattform, um sich kennenzulernen, Gedanken und Meinungen auszutauschen, aber auch um gemeinsam zu feiern.
Solo-Slam, Kindertheater und Sommerfest: Veranstaltungen am 18. und 19. August im Wiesbadener Westend
Veranstaltungen im Westend am Wochenende:
Kostenlose Reparaturen im Repair-Café
Kleine Reparaturen können im Repair-Café unter Anleitung selbst durchgeführt werden. Im Mittelpunkt steht dabei die Hilfe zur Selbsthilfe. Das Repair-Café Wiesbaden-Westend findet am Samstag, 18. August,von 10 bis 13 Uhr, im Café Anderswo, Blücherstraße 17, statt. Annahmeschluss für Reparaturen ist 12.30 Uhr. Continue reading
Aktuelle Daten zur Bevölkerung im Wiesbadener Westend – Bulgaren überholen Türken
Seit Mai 2014 können Menschen aus den EU-Staaten Bulgarien und Rumänien ohne Einschränkungen in Deutschland arbeiten. Seitdem sind viele Menschen aus diesen Ländern in den vergangenen Jahren auch in Wiesbaden zugewandert, vor allem ins Westend. 2018 haben Bulgaren sogar zum ersten Mal Menschen (nur) mit türkischem Ausweis in der Rangliste der Ausländer vom Spitzenplatz gestoßen, wie aktuelle Daten des Wiesbadener Statistikamts aufzeigen: Ihr Anteil stieg im Westend um 0,6 Prozent auf 13,2 Prozent, der Anteil der Türken sank um über ein Prozent auf 12,2 Prozent.
Mein Alltag mit Kopftuch – Drei Wiesbadener Musliminnen berichten von Diskriminierungen
Ouarda, Selma und Melek sind drei Wiesbadener Musliminnen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Doch eines haben sie alle drei gemeinsam: Sie werden alltäglich wegen ihres Kopftuchs diskriminiert. Als deutsche Staatsbürgerinnen wollen sie mit ihren Kopftüchern als Teil von Deutschland akzeptiert und verstanden werden. Hier berichten sie von ihren Erfahrungen.
„Ich werde auf mein Kopftuch reduziert“
Ouarda berät als Sozialpädagogin Migrantinnen. Sie wünscht sich mehr Offenheit in der Berufswelt für Musliminnen.
Für ihren ersten Job nach dem Studium zur Sozialpädagogin hat Ouarda ihr Kopftuch abgelegt – aus Angst, den Arbeitsplatz nicht zu bekommen. „Es war schrecklich. Ich war nicht authentisch“, sagt die 33-Jährige heute. Um einen guten Eindruck auf der Arbeit zu hinterlassen, hat sie mit der Heimlichtuerei begonnen. „Auf dem Weg zur Arbeit trug ich mein Kopftuch. Im Auto zog ich es aber aus. Mein Arbeitgeber und meine Kollegen wussten nicht, dass ich Kopftuchträgerin bin. Nach Feierabend habe ich das Kopftuch in meinem Auto wieder angelegt“, erzählt die gebürtige Wiesbadenerin über ihre innere Zerrissenheit.
Das Dilemma, in dem sie steckte, war kaum auszuhalten, wie die Deutsche mit marokkanischen Wurzeln sagt. „Ich hatte das Versteckspiel und den psychischen Druck satt.“ Kurzerhand entschied sie sich für einen Jobwechsel. Heute ist sie glücklich mit ihrer beruflichen Situation. Als Sozialpädagogin bei dem Projekt „Uyum“ in der Blücherstraße berät sie Frauen mit Migrationshintergrund bezüglich ihrer Berufswahl. „Mein neuer Arbeitgeber hatte keine Einwände gegen das Kopftuch. Das macht mich unheimlich glücklich“, erzählt die Mutter zweier Kinder. Das Kopftuch helfe ihr auf der Arbeit, sogar einen besseren Zugang zu den Teilnehmerinnen ihrer Kurse zu bekommen. „Durch das Kopftuch erwecke ich Vertrauen bei Frauen mit Migrationshintergrund. Ich bin ihnen auf Anhieb sympathisch.“
„Gehen Sie zurück in Ihr Land!“
Wohlwollen erweckt ihr Kopftuch aber nicht in jeder Lebenslage. Besonders im Supermarkt und im Wartezimmer einer Arztpraxis wurde sie schon häufig diskriminiert. Den Grund dafür sieht sie in ihrem Kopftuch. „Ich werde auf mein Kopftuch reduziert. Die Menschen, die mich diskriminieren, gehen davon aus, dass ich sie nicht verstehe und die Beleidigungen deshalb akzeptiere“, berichtet sie von ihren Alltagserlebnissen. Beleidigungen, wie „Gehen Sie zurück in Ihr Land!“ und „Sie sind hier nur Gast!“, sind dabei keine Seltenheit. Eine Frau im Supermarkt wurde dem damals vierjährigen Sohn von Ouarda gegenüber sogar handgreiflich. „Sie schlug ihm auf die Hand, weil er ein verpacktes Lebensmittel auf dem Laufband berührte, das sie kaufen wollte.“ Nachdem die Kopftuchträgerin ihren Sohn verbal verteidigte, wurde sie als „Scheiß-Ausländerin“ bezeichnet. „Hätte ich kein Kopftuch getragen, wäre meinem Sohn das nicht passiert“, sagt sie rückblickend.
Dennoch kommt es für die deutsche Staatsbürgerin nicht infrage, ihr Kopftuch wieder abzulegen, auch wenn sie sich erst spät für das Kopftuchtragen entschieden hat. „Ich habe immer gewusst, dass ich Kopftuch tragen will. Aber ich habe es aufgeschoben, weil ich auf den richtigen Zeitpunkt warten wollte“, erklärt sie. Ihr Abitur und ihr Studium beendete sie als gläubige Muslimin ohne Kopftuch. Nachdem ihre Mutter eine schwere Krankheit überstanden hatte, entschied sich die damals 26-Jährige für das Kopftuch. Heute gehört es zu ihr und vervollständigt ihren Glauben: „Mein Kopftuch bedeutet für mich Sicherheit und Identität. Nur mit meinem Kopftuch bin ich authentisch.“
Für die Zukunft wünscht sie sich mehr Offenheit, insbesondere in der Berufswelt. „Bewerbungen von Frauen mit Kopftuch sollten nicht gleich abgelehnt werden. Die Persönlichkeit ist viel wichtiger als das Äußere.“
Text & Foto: Adriana La Marca
„Ich fühle mich wie eine Außenseiterin“
Melek ist in Wiesbaden geboren. Sie möchte als Mensch wahrgenommen werden, nicht als Kopftuchträgerin.
Höflichkeit und Respekt gehören für Melek zu ihrem Glauben. Das Kopftuch, das sie seit ihrem elften Lebensjahr freiwillig trägt, symbolisiert für sie diese Eigenschaften und gehört fest zu ihrem Glauben. „Kopftuchtragen bedeutet für mich, ein Vorbild zu sein. Mein Kopftuch steht für Menschlichkeit“, sagt die 30-jährige Muslimin. Den respektvollen Umgang miteinander vermisst sie in Deutschland. Denn angerempelt, geschubst oder beleidigt zu werden, gehört für sie zum Alltag.
Über ihre Erfahrungen mit Diskriminierung könne sie ein ganzes Buch füllen. Ihre wohl „schrecklichste“ Erfahrung hat die junge Frau mit türkischen Wurzeln bei einem Einkauf im Supermarkt gemacht. „Ich habe mit meinem Einkaufswagen versehentlich den Gang versperrt. Eine ältere Dame stieß meinen Wagen weg, fing an mich wegen meines Kopftuchs zu beleidigen und schlug mir mit der Faust auf den Oberarm.“ Diese Erlebnisse rufen negative Gefühle in ihr hervor: „Ich fühle mich wie eine Außenseiterin“, sagt sie. Das zu akzeptieren, fällt ihr schwer: „Ich bin ich, mit oder ohne Kopftuch. Meine Persönlichkeit ist keine andere, nur weil ich ein Kopftuch trage“, erklärt sie.
„Nur als Putzfrauen akzeptiert“
Auch die Jobsuche erwies sich für die Muslimin am Anfang als schwierig. „Ich habe lange Zeit keinen Ausbildungsplatz als Erzieherin gefunden, weil ich ein Kopftuch trage“, erzählt Melek, die regelmäßig die Süleymaniye Moschee in der Dotzheimer Straße besucht. In den vergangenen acht Jahren hat sie mittlerweile in verschiedenen Einrichtungen als Kindergärtnerin gearbeitet. Die Anfänge waren nicht immer leicht: „Manche Eltern haben mich nicht begrüßt. Irgendwann fingen die Kinder an, zu Hause von mir zu erzählen. Die Eltern haben mit der Zeit gelernt, mich durch die Augen ihrer Kinder zu sehen und zu akzeptieren.“
Ihrem Gefühl nach sei die Integration der muslimischen Frau in Deutschland nicht gewollt: „Die Menschen verlangen, dass wir uns integrieren. Sie akzeptieren uns aber nur als integrierte Putzfrauen.“ Sich von ihrem Kopftuch zu trennen, kommt für die junge Frau nicht infrage. „Mein Kopftuch ist mein Ein und Alles. Ich liebe mein Kopftuch und meinen Glauben. Eine Abneigung dagegen entwickelt eine Frau nur dann, wenn sie zum Kopftuchtragen gezwungen wird.“
Text: Adriana La Marca
Foto: Erdal Aslan
Geschlagen vom Lebenspartner
Selma trägt erst seit 2012 Kopftuch. Heute kann sie sich ein Leben ohne nicht mehr vorstellen.
Selma ist 37 Jahre alt, als sie sich freiwillig dazu entschließt, Kopftuch zu tragen. „Mein Kopftuch schützt mich. Ohne fühle ich mich nackt“, sagt die heute 43-Jährige, die ein Leben in Deutschland mit und ohne Kopftuch kennt. Sie trägt es heute aus religiöser Überzeugung und nennt das Kopftuch ihre Krone, weil sie es mit Stolz trägt. Eine Operation, nach der sie das Kopftuch aufzog, um sich vor der Sonne zu schützen und eine Reise nach Bosnien während des Fastenmonats Ramadan haben zu ihrer Rückbesinnung auf den Glauben geführt. „Ich bin mit dem Islam großgeworden. In Deutschland habe ich meinen Glauben aber zu Anfang aus den Augen verloren“, erklärt die alleinerziehende Mutter von drei Kindern, die regelmäßig eine Moschee in der Bertramstraße besucht.
Mit dem Entschluss, sich auch äußerlich zu ihrem Glauben zu bekennen, fing für die gelernte Altenpflegerin eine schwere Zeit an. „Für die größte Demütigung sorgte mein damaliger Lebensgefährte, der kein Muslim ist. Er hat mich wegen meines Kopftuchs geschlagen“, berichtet sie. Diskriminierungen habe sie aber vor allem auch in der Arbeitswelt erfahren. „Als ich mich bei einem ambulanten Pflegedienst persönlich vorgestellt habe, wurde ich aufgrund meines Kopftuchs abgelehnt, obwohl ich zuvor am Telefon eine Zusage bekam“, erzählt die gläubige Muslimin. Ein anderer Arbeitgeber schlug ihr vor, anstelle des Kopftuchs eine Mütze aufzuziehen. „Dann wäre ich eingestellt worden“, sagt sie.
Töchter können selbst entscheiden
Wieso das Kopftuch von vielen Arbeitgebern nicht akzeptiert wird, kann sie nicht verstehen. „Muslimische Frauen haben nicht gestört, als sie noch Toiletten geputzt haben. Erst als sie anfingen, sich zu bilden, wurden sie zum Störfaktor.“ Momentan ist Selma glücklich mit ihrer beruflichen Situation. Ihr Ziel: „Ich möchte einen ambulanten Pflegedienst leiten und jedem zeigen, dass das auch mit einem Kopftuch möglich ist.“
Ein Leben ohne Kopftuch kann sie sich nicht mehr vorstellen. „Einer Frau das Kopftuch zu verbieten, ist wie eine Nonne zum Heiraten zu zwingen“, beschreibt sie die Bindung zu ihrem Kopftuch.Ihre Kinder, die in Deutschland geboren und aufgewachsen sind, erzieht sie frei. „Sie wissen viel über den Islam und besuchen regelmäßig die Moschee. Wenn meine Töchter eines Tages Kopftuch tragen wollen, unterstütze ich sie. Wenn nicht, ist das auch in Ordnung.“
Text & Foto: Adriana La Marca