
200 Menschen demonstrieren gegen Leerstand und Spekulanten im Juni dieses Jahres. Foto: Erdal Aslan
Im Westend steht nicht nur das Haus am Bismarckring 23 seit langer Zeit leer, auch wenn dieses Gebäude schon oft Thema im Ortsbeirat war. Die Linke im Westend hat in der vergangenen Ortsbeiratssitzung zudem das leer stehende Haus in der Wellritzstraße 42 angesprochen. Ebenso das Gebäude in der Walramstraße 13, das im Dezember 2017 gebrannt hat und immer noch „in einem desolaten Zustand ist“. Seit dem Brand ist der dortige Bürgersteig abgesperrt, ein privates Auto nutzt diesen Bereich als Parkplatz. Die Linke fordert in ihren Anträgen die Stadt auf, etwas zu unternehmen und Informationen bereitzustellen. Die Anträge wurden im Ortsbeirat mehrheitlich unterstützt.
Diese Anträge enthalten auch die Forderung nach einem Leerstandskataster: „So hätte man endlich Zahlen, wie viele Wohnungen in Wiesbaden leer stehen“, erklärt Ortsbeiratsmitglied Christoph Mürdter (Linke). Der Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende (SPD) habe die Idee auf einer Linken-Sitzung vor der Wahl begrüßt. „Wobei er nichts versprochen hat, sondern meinte, dass die Realisierung zu prüfen sei“, sagt Mendes Büroleiter Dennis Volk-Borowski. Auf Anfrage dieser Zeitung teilt das Dezernat für Stadtentwicklung und Bau mit: „Die Erfassung und notwendige Aktualisierung eines solchen Leerstandskatasters steht in keinem akzeptablen Verhältnis zum Personalaufwand. Selbst wenn man leer stehende Häuser dadurch revitalisieren könnte, würden entsprechende Verfahren viele Jahre andauern. Fazit: Keine Lösung!“
Keine Handhabe für die Stadt
Die Linke verlangt abgesehen davon, Schritte zu ergreifen, um den „Wohnungsleerstand im Westend deutlich zu reduzieren“. Doch es gibt derzeit keine Möglichkeit für die Stadt, bei Leerstand von privatem Eigentum einzugreifen. „Wir als Wohnungsdezernat haben keine Handhabe. Dazu bräuchten wir die Wiedereinführung des Leerstands- und Zweckentfremdungsverbots in Hessen“, sagt Dezernent Christoph Manjura (SPD). 2004 wurde das Zweckentfremdungsverbot von der damaligen CDU-Regierung in Hessen abgeschafft. Vorher war es laut Dezernat verboten, Wohnraum dem Wohnungsmarkt zu entziehen beziehungsweise umzuwandeln. Darunter fielen das Leerstehenlassen, der Abriss und die gewerbliche Nutzung von Wohnraum. Verstöße konnten mit Bußgeldern bis zu 50000 Euro geahndet werden.
Manjura und die Wiesbadener SPD unterstützen den Vorstoß der Oppositionsparteien SPDund Linke im Landtag, diese Regelung wieder einzuführen. „Längstens sechs Monate ohne Begründung sollte ein Haus leer stehen dürfen“, teilt Manjura mit. Die schwarz-grüne Regierung in Hessen wehre sich aber gegen Enteignungen. Dabei hat es laut Wirtschaftsministerium zwischen 2010 und 2018 mehrere Enteignungsverfahren etwa für den Bau von Autobahnen und Bundesstraßen gegeben. „In diesem Land werden immer wieder Kleingärtner enteignet und müssen dem Straßenbau weichen. Wenn Immobilien aus spekulativen Gründen leer stehen und gleichzeitig immer mehr Menschen dringend ein Dach über dem Kopf suchen, ist eine Enteignung zum Wohle der Allgemeinheit dringend geboten“, meint Hans-Gerd Öfinger (Linke Westend).
Demo mit 200 Leuten
Andreas Steinbauer von der Steinbauer Immobilien GmbH wie auch Ortsbeiratsmitglied Christian Hill (CDU) halten dagegen nichts von staatlichen Eingriffen: Der Markt müsse das selbst frei regulieren. „Es ist Aufgabe der Kommune, Wohnraum zu schaffen und nicht höchstbietend zu verkaufen, wie schon geschehen im Hainweg in Nordenstadt oder in der Wilhelmstraße“, sagt Steinbauer. Die Linke im Westend will aber das Thema Enteignung weiter auf der Tagesordnung halten. Im Juni hat sie die Demonstration „Wohnraum schaffen, Leerstand beschlagnahmen, Spekulanten enteignen“ in Wiesbaden organisiert. 200 Menschen sind mitgelaufen. „Wir müssen beim nächsten Mal 400 Leute sein. Die Chancen sind da, wenn der gesellschaftliche Druck zunimmt“, sagt Mürdter.