Kontaktverbot bis 19. April, Strafgelder und finanzielle Unterstützung für Unternehmen: Wir fassen die aktuellen Corona-Infos vom 3. April 2020 in verschiedenen Sprachen zusammen (siehe unten). Ihre Mithilfe ist wichtig: Verbreiten Sie diese Nachrichten unter Vereinen, Multiplikatoren und Bürgern, die die Infos in der jeweiligen Sprache brauchen könnten.
Die VRM-Zeitungen Mensch!Westend und Wiesbadener Kurier erstellen dieses Angebot in Kooperation mit der Landeshauptstadt Wiesbaden, dem Amt für Zuwanderung und Integration und dem Verein MigraMundi.
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Während der Coronavirus-Krise ist es wichtig, dass die Informationen über getroffene Maßnahmen alle Menschen in Wiesbaden erreichen. Daher werden wir die wichtigsten lokalen News zum Coronavirus in unregelmäßigen Abständen in verschiedenen Sprachen veröffentlichen. Es erscheint also nicht täglich etwas, sondern immer wieder dann, wenn es einen Anlass dazu gibt.
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Seine Wurzeln liegen in Italien, ihre in Indien: Salvo und Sahra Caserta haben in Neu-Delhi zum zweiten Mal geheiratet, nachdem sie in Deutschland schon „Ja“ gesagt haben. Foto: Delhi Velvet
Von Erdal Aslan
Wenn man ein Drehbuch über das Westend schreiben würde, könnten Sahra und Salvo Caserta die Hauptrollen spielen. Denn ihre noch junge Geschichte ist so besonders wie normal für dieses internationale Stück Wiesbaden. Unzählige sogenannte Migrantenkinder wachsen zwischen der Heimatkultur ihrer Eltern und der deutschen Kultur, in die sie hineingeboren wurden, auf. Sahra und Salvo Caserta sind wie viele andere in diesem Stadtteil Wanderer zwischen den Welten.
Sahra und Salvo Caserta. Foto: Sahra Caserta
Im Viertel aufgewachsen
Sahra ist im Westend als Tochter eines deutschen Hippies und einer Inderin aufgewachsen. Sie besuchte die Grundschule sowie das Gymnasium im Viertel und lernte „den respektvollen Umgang verschiedener Kulturen untereinander kennen und lieben“, wie die 32-jährige Flugbegleiterin sagt. „Für mich war es genau so selbstverständlich Weihnachten wie auch Diwali – das indische Lichterfest – zu feiern.“ Sie fühlt sich deutsch, schätzt aber ihre Wurzeln und die Werte, die ihre Mutter ihr mitgegeben hat.
Salvo (Kurzform für Salvatore) ist Sohn italienischer Einwanderer aus Neapel. Sein Vater betreibt die Traditionspizzeria „Luigi“ in der Dotzheimer Straße. „Ich fühle mich schon als Italiener, ohne es wirklich begründen zu können, es ist eine emotionale Sache“, sagt der Inhaber des Friseursalons „Capelli da Salvo“ am Dürerplatz. Er leugnet aber ganz und gar nicht seine deutschen Charakterzüge. Nicht umsonst wird der 37-Jährige wegen seiner Pünktlichkeitsliebe augenzwinkernd auch mal „Gerd“ genannt. „Man ist nie das eine oder andere, es gibt kein Schwarz oder Weiß.“
Liebesgeschichte beginnt auf Friseurstuhl
Die gemeinsame Geschichte der beiden begann im Jahr 2010 auf einem Friseurstuhl – natürlich im Westend. Er arbeitete im ehemaligen „Schnittpunkt“ (heute „Der grüne Salon“), sie war Kundin. Sie verstanden sich auf Anhieb, wurden beste Kumpel. Aus der Freundschaft entwickelte sich nach einiger Zeit Liebe, die 2014 ihren (ersten) Höhepunkt fand: Sie heirateten standesamtlich im Kloster Eberbach in Eltville. Schon bald entstand die Idee, das Ehegelübde alle fünf Jahre zu wiederholen.
Familienfoto: Links sieht man Sahras Schwester und ihren Sohn, rechts ihre Mutter Vandana. Vor Sahra stehen ihre beiden gemeinsamen Kinder mit Salvo. Foto: Sahra Caserta
Als sich das fünfte Ehejahr der mittlerweile zweifachen Eltern so langsam näherte, war es Salvos Vorschlag, in Indien erneut zu heiraten. „Ihre Familie hat mich so herzlich aufgenommen, ich habe zu Indien und der Kultur des Landes eine ganz besondere Beziehung aufgebaut“, sagt er heute. Im Jahr 2017 haben die beiden auch zusammen in Indien Urlaub gemacht. „Das Land ist ein Schmelztiegel der Kulturen. Uns hatte sowieso eine spirituelle Trauung gefehlt. Daher war Indien die beste Wahl“, betont er. Sahra hätte sich auch eine Hochzeit in Italien vorstellen können. „Doch es war insgeheim auch mein Traum, in Indien zu heiraten“, sagt sie. Zurück zu den Wurzeln, den Traditionen ihrer Vorfahren. Sahra hat nach dem Abitur sogar für einige Monate bei ihrer Tante in Neu-Delhi gelebt. „Seitdem spüre ich erst recht eine tiefe Verbundenheit zum Land, zu meinen Verwandten.“
Eineinhalb Jahre geplant für „Bollywood-Hochzeit“
Die Entscheidung für eine „Bollywood-Hochzeit“ war also gefallen – den Casertas blieben eineinhalb Jahre Zeit für die Vorbereitungen. Dekoration, Location, Brautkleid, Menü: Zahlreiche Whatsapp-Gruppen gründeten sich, für jedes Themengebiet eine eigene. Gemeinsam mit der ganzen Verwandtschaft planten die beiden monatelang über 6000 Kilometer Entfernung ihr Hochzeitsfest. „Mein Beruf ermöglichte es mir, regelmäßig nach Neu-Delhi zu fliegen, um zum Beispiel eine geeignete Location zu finden oder mein Hochzeitskleid zu kaufen“, erzählt Sahra.
Im Oktober dieses Jahres war es dann so weit: Die Hochzeit konnte in einem der modernsten Viertel Neu-Delhis, in einem Hotel unweit vom Flughafen, stattfinden. Aus Deutschland waren 25 Gäste mitgeflogen. Salvos Eltern konnten aus gesundheitlichen Gründen den siebenstündigen Flug nicht antreten, „deshalb waren die Freunde meine Stellvertreter-Familie dort“, sagt Salvo. Gewöhnlich feiert man Hochzeiten in Indien mehr als eine Woche lang und begeht viele kleine und große Zeremonien. „Wir haben alles auf zwei Tage komprimiert, wegen der Schulferien und weil unsere Gäste aus Deutschland nicht so lange bleiben konnten. Unsere Hochzeit bestand aus den Basics“, berichtet Sahra. Das üppige Buffet mit indischen Spezialitäten hätte ihren Beschreibungen nach aber auch für eine ganze Woche gereicht.
Rituelle Reinigung: Bei der Haldi-Zeremonie wird das Brautpaar mit einer Kurkuma-Paste eingerieben. Die Gäste tragen weiße Gewänder und passend zu Kurkuma gelb-orangefarbene Schals. Foto: Sahra Caserta
Begonnen hat die farbenprächtige Traumhochzeit mit der „Haldi“-Zeremonie, bei der das Brautpaar auf die Hochzeit vorbereitet wird. Beide werden mit einer Kurkuma-Paste im Gesicht sowie an Händen und Füßen eingerieben. Das dient der rituellen Reinigung und soll die bösen Geister vertreiben. „Das Gewürz Kurkuma hat ja auch eine heilende Wirkung“, erklärt Salvo. Für diese Zeremonie haben alle Gäste weiße Gewänder mit einem gelb-orangefarbenen Schal getragen – die Farbe symbolisiert die Kurkuma. „Als ich die Treppe im Hotel herunterstieg und meine Familie und Freunde zum ersten Mal gemeinsam in diesen Gewändern gesehen habe, war das ein magischer Moment für mich“, erzählt Sahra.
Frauen machen sich über Männer lustig
Auf die „Haldi“-Zeremonie folgte der „Ladies’ Sangeet“. Die Frauen der Familie sitzen dabei zusammen und singen Lieder, in denen sie sich über die Männer der Familie – einschließlich dem Bräutigam – lustig machen. „Eine der Frauen sang zum Beispiel davon, ihren Ehemann verkaufen zu wollen, also ihn loszuwerden“, sagt Sahra. Den Rhythmus gab ihre Mutter Vandana auf einer Trommel vor. Salvo ließ das gerne über sich ergehen, genoss sichtlich jede noch so kleinste Zeremonie, wie man in dem Hochzeitsvideo sehen kann. Nur als Sahras Cousinen seine Schuhe versteckten und Geld für die Herausgabe verlangten (auch ein traditionelles Spiel), musste er Handelsgeschick beweisen. „Wir konnten aber den Betrag gut runterfeilschen“, sagt er grinsend.
Unter dem Schutz einer „Blumendecke“ führen Sahras Brüder (auch Cousins gelten in Indien als Brüder) die Braut zum Bräutigam. Foto: Sahra Caserta
Am zweiten Tag der Hochzeit begann die eigentliche Trauung („Fera“) unter Anleitung eines Priesters, der das Paar mit Gebeten in Sanskrit segnete. Nach jedem Gebet haben die beiden etwas in ein Feuer geworfen, um das sie herum saßen. Zum Beispiel Puffreis, die Opferung des Nahrungsmittels soll Wohlstand in der Zukunft bringen. Währenddessen sollten sie sich Loyalität, Treue und Liebe versprechen. Salvo hat ihr sieben Versprechen geben müssen – unter anderem, dass er finanziell für sie sorgen werde. Bei Sahra waren es vier Versprechen: zum Beispiel, dass sie sich nicht die ganze Zeit bei ihrer Mutter aufhält, während er arbeitet. „Da hat meine Mutter ‚Auf gar keinen Fall‘ vor sich hingemurmelt“, erzählt Sahra.
Erste gemeinsame Hürde muss gemeistert werden
Zusammengebunden um eine Feuerstelle laufen: Nach dem Bestehen dieser Prüfung werden Sahra und Salvo Caserta zu Mann und Frau erklärt. Foto: Sahra Caserta
Anschließend wurden die beiden aneinandergebunden. Als Symbol für die erste Hürde, die sie gemeinsam überwinden müssen, sollte das Paar sieben Mal die Feuerstelle umkreisen – sieben ist eine heilige Zahl im Hinduismus. Dabei mussten Sahra und Salvo einen ihnen in den Weg gelegten Stein mit dem Fuß berühren. Zunächst lief er vorne weg, danach sie. Beide mussten sich jeweils dem Tempo des anderen anpassen. Diese Hürde haben sie erfolgreich gemeistert. „Somit durften wir als frisch getrautes Ehepaar mit dem Segen der Hindu-Götter und den guten Wünschen unserer Familie und Freunde die zweite Partynacht eröffnen“, erzählt Sahra. Als die typisch indischen Rhythmen (wie auch nach dem ersten Tag) begannen zu erklingen, „konnten alle, also auch unsere deutschen Gäste, auf einmal perfekt indisch tanzen“, berichtet das Paar lachend.
Mittendrin die Kinder
Immer mittendrin die beiden Kinder der Casertas. Sie fühlten sich pudelwohl in Indien und bewegten sich ganz natürlich in dieser Welt, wie die Bilder und Videos beweisen. Empfinden sich die Kinder eigentlich mehr indisch, deutsch oder italienisch? „Sie sind wohl alles zusammen. Sie dürfen später auch selbst entscheiden, ob sie Hindus, Christen oder etwas anderes werden wollen. Wir haben sie deshalb nicht taufen lassen“, erklärt Salvo. „Wir versuchen, ihnen alles mitzugeben, was wir geben können. Die Grundwerte sind in allen Religionen und Kulturen eigentlich die gleichen.“
Sahra und Salvo scheinen überglücklich und immer noch berührt, wenn sie in ihrem Wohnzimmer im Westend von ihrem Fest voller Emotionen, Farben und Eindrücke in Neu-Delhi erzählen. „Wahrscheinlich werden wir in fünf Jahren nicht wieder so groß feiern. Aber unser Bund fürs Leben ist in Indien nochmal auf eine ganz besondere Weise gestärkt worden“, sagt Salvo. Vor allem auch, weil es an einem Ort geschehen ist, der ein Teil ihrer Familiengeschichte ist. „Die Gewissheit, Verwandte zu haben, die ich zwar leider selten sehe, die mich aber bedingungslos lieben, lässt die geografische Distanz ganz unwichtig erscheinen“, sagt Sahra.
Zweite, große Familie
Eine zweite, große Familie in einer anderen Ecke dieser Welt – auch das können viele Migrantenkinder sehr gut nachempfinden, wenn sie in die Herkunftsländer ihrer Eltern reisen und die Herzlichkeit ihrer Verwandten erfahren. Sahra und Salvo Casertas Geschichte erzählt nicht nur von ihrem persönlichen Glück. Sie erzählt auch vom Westend. Einem Ort, in dem verschiedene Kulturen ganz selbstverständlich ineinanderfließen.
Rettungskräfte suchen nach dem Erdbeben in Elazig nach verschütteten Personen in den Trümmern von eingestürzten Gebäuden. Das Beben im Osten der Türkei hatte die Stärke 6,8. Foto: dpa
Von Erdal Aslan
Seit Freitagabend beherrscht ein Thema die Gespräche der türkisch-kurdischen Community in Wiesbaden: das schwere Erdbeben mit der Stärke 6,8 im Osten der Türkei. Nach jüngsten Angaben sind 39 Menschen gestorben, mehr als 1600 verletzt. Das Epizentrum lag im Bezirk Sivrice der Provinz Elazig.
Rund 4000 Wiesbadener stammen aus dieser Provinz
„Zum Glück hat es keinen direkten Verwandten von uns hier getroffen. Aber es ist dadurch nicht weniger traurig“, sagt Ebubekir Duran. Er ist Vorsitzender des im November gegründeten „Vereins der Menschen aus Elazig in Europa“. Von den rund 16.600 Türkeistämmigen in Wiesbaden stammen laut Durans Angaben rund 4000 Menschen aus dieser Provinz, eine Hochburg der Kurden.
Am Sonntagnachmittag blicken etwa 20 Besucher im Vereinsheim in der Wellritzstraße gespannt auf den Fernseher. Ein türkischer Nachrichtensender berichtet 24 Stunden am Tag vom großen Unglück. „Wir sind ständig in Kontakt mit unseren Bekannten und Verwandten. Die Betroffenheit und Sorgen sind auch hier in Wiesbaden groß“, sagt Duran. Viele Häuser seien nicht mehr bewohnbar, die Menschen trauten sich nicht zurück in ihre Wohnungen.
Besorgt: Die Besucher im „Verein der Menschen aus Elazig“ in der Wellritzstraße schauen türkische Nachrichten. Foto: Erdal Aslan
Haus der Schwester unbewohnbar
„Vor allem ältere Hochhäuser sind von der Zerstörung betroffen“, weiß Vorstandsmitglied Faruk Akbas. Das Gebäude im Zentrum von Elazig, in dem seine Schwester wohne, habe einen riesigen Riss durch das Beben erlitten. „Deshalb haben wir schon am Freitagabend gesprochen und gemeinsam entschieden, dass sie bei Verwandten im Dorf schläft. Dort sind die meisten Häuser nicht mehrgeschossig, deshalb kann man bei Gefahr schneller rauslaufen“, sagt Akbas. Er habe wie viele andere via Whatsapp vom Erdbeben erfahren. „Als wir gleich darauf am Freitagabend unsere Verwandten nicht erreichen konnten, hatten wir sehr große Sorgen.“ Das sei aber kurze Zeit später „Gott sei dank“ wieder möglich gewesen. Schauen Sie mal hier“, sagt ein anderes Vereinsmitglied und zeigt Fotos, die er Freitagnacht erhalten hat: Sie zeigen das Auto seines Neffen, der durch die Erschütterungen die Kontrolle über sein Auto verlor und in ein Schild auf dem Bürgersteig krachte.
Viele Besucher im Verein haben bei allen Sorgen um die Erdbebenopfer den Eindruck, dass die türkische Katastrophenschutzbehörde Afad die Situation besser als früher im Griff hat. Sie denken an das große Erdbeben von 1999 mit der Stärke 7,6. Das Epizentrum lag damals in Gölcük südöstlich von Istanbul. Es starben rund 18.000 Menschen. „Seitdem haben wir erst recht viel Angst, wenn wir von einem Erdbeben hören“, sagt Akbas.
Spendenkonto für Opfer soll eröffnet werden
Die Wiesbadener aus Elazig hätten schon am Wochenende private Hilfsaktionen gestartet, Spenden gesammelt und Geld in die Türkei geschickt, erzählt Gürbüz Yildiz, zweiter Vorsitzender des Vereins. „Wir haben am Samstagabend gemeinsam mit dem Vorstand entschieden, dass wir am Montag ein Spendenkonto eröffnen“, sagt er. Die gesammelten Gelder sollen dann offiziell an die Katastrophenschutzbehörde übergeben werden. „Man ist ja frustriert, dass man von hier aus nicht viel tun kann. Aber so können wir vielleicht ein bisschen helfen.
Kontakt zum Verein über Onur Sinem unter der Telefonnummer 0172-5818398.
Es gibt wohl keine andere Frage im Türkischen, die häufiger bei der ersten Begegnung gestellt wird wie „Nerelisin?“. Also: „Woher, aus welcher Stadt, kommst du?“ Denn man könnte ja ein „Hemsehri“ (Hemmscheri ausgesprochen) sein, also jemand, der aus der gleichen Stadt stammt wie man selbst. Dass dafür ein eigenes Wort existiert, zeigt, welch hohen Stellenwert dieser Umstand in der Türkei hat: Es entsteht gleich eine besondere Verbindung zum Gegenüber. Daher ist es auch nicht überraschend, dass sich im Ladengeschäft der Wellritzstraße 47 (zuletzt eine Shisha-Bar) ein Verein voller „Hemsehris“ gebildet hat: „Avrupa Elaziglilar Dernegi“ – der „Verein der Menschen aus Elazig in Europa“.
Das Stadtzentrum von Elazig, der Hauptstadt der Provinz Elazig. In der Türkei heißen die Provinzhauptstädte immer wie die Provinz selbst. Foto: Taha Kocak
„4000 Leute aus Elazig“
Elazig ist eine Provinz im Osten der Türkei mit knapp 600.000 Einwohnern. Viele ehemalige „Gastarbeiter“ sind aus dieser Provinz nach Deutschland gekommen. Von den 16.600 Türkeistämmigen (laut Statistikamt) in Wiesbaden „stammen heute mindestens 4000 aus Elazig“, schätzt Gürbüz Yildiz, der 2. Vorsitzende, und nennt gleich eine weitere Zahl. „70 Prozent der Dönerrestaurants in Wiesbaden werden von Menschen aus Elazig betrieben.“ Denn sie seien mutig, geschäfts- und risikofreudig. „Sie fackeln nicht lange, sobald sich eine Geschäftsidee ergibt“, erklärt er sich die vielen Selbständigen.
Wenn schon so viele aus der gleichen Provinz – viele sogar aus derselben Kleinstadt Palu in Elazig – hier wohnen, braucht es auch endlich einen Verein, dachten sich die Gründungsmitglieder. „Das soll der gemeinsame Treffpunkt werden, in dem wir uns austauschen, netzwerken und unsere Kultur weiterleben und weitergeben können“, erzählt Yildiz. Zum Beispiel sind Halay-Tanzkurse geplant. Ein Volkstanz, den man von jeder türkischen Hochzeit kennt: Man tanzt nebeneinander in Reihe, wobei sich die Menschen an der Hand halten oder sich an den Schultern fassen. Aber auch Deutschkurse und Saz-Unterricht sollen angeboten werden. Saz ist ein türkisches Saiteninstrument. Im Untergeschoss steht ein weiterer Raum für diese Aktivitäten zur Verfügung.
Vorstands- und Vereinsmitglieder vor dem Sitz in der Wellritzstraße 47 (von links): Sait Celik, Daruk Aktas, Gürbüz Yildiz (2. Vorsitzender), Cumali Seker, Ebubekir Duran (1. Vorsitzender), Akif Kavakli, Murat Poyraz und Kaya Cankara. Foto: Erdal Aslan
Hochburg der Kurden
Aber damit nicht genug: Der Verein, der sich durch Spenden und Mitgliederbeiträge finanziere, hat kürzlich den Fußballklub FC Wiesbaden 07 gekauft und am Ende des Namens noch eine „23“ hinzugefügt. Diese Zahl steht in der Türkei für das Kfz-Kennzeichen von Elazig. Zurzeit gebe es nur eine Herrenmannschaft, in Zukunft sollen Jugendteams entstehen. „Wir sind keine türkische ‚Teestube‘“, betont Yildiz den Unterschied, während er an seinem Tee nippt. Also „kein Männerverein“, es werde auch nicht geraucht und Karten gespielt, meint er.
Hin und wieder könnte jedoch Kurdisch gesprochen werden. Denn Elazig ist eine Hochburg der Kurden in der Türkei. Bei allen Diskussionen, die es immer wieder gebe: „Hier ist kein Platz für politische Propaganda. Hier werden nur die Fahnen von Deutschland und der Türkei aufgehängt“, unterstreicht Yildiz. Er ist selbst aktiv in der „Union of International Democrats“(UID) – eine Lobbyorganisation der türkischen Regierungspartei AKP in Europa. „Hier an diesem Tisch sitzen aber Leute, die alle eine andere politische Meinung haben“, sagt einer aus der Runde, der mit Yildiz zusammensitzt und dem Gespräch lauscht. „Wir sind für alle offen, jeder ist willkommen, unsere berühmte Gastfreundschaft zu genießen.“
Keine Verbindung zu einer Moschee
Das gelte ebenso für Anhänger aller Religionen. Die meisten Menschen aus Elazig sind sunnitische Muslime. „Wir sind an keine Moschee angebunden“, betont Yildiz. „Auch nicht zur ‚Westend Moschee‘ in der Helenenstraße.“ Diese Moschee wird von vielen Kurdischstämmigen besucht – „Harput“-Betreiber Ismail Duran war dort früher Vorsitzender (Harput ist eine antike Stadt in Elazig). Sein älterer Bruder Ebubekir Duran ist wiederum der 1. Vorsitzende des Elazig-Vereins, er weilte beim Gesprächstermin in der Türkei.
Gemeinsam mit ihm und den bisher rund 50 Mitgliedern will Gürbüz Yildiz europaweit ein Netzwerk knüpfen: „Dieser Verein in der Wellritzstraße soll die Zentrale sein und andere Zweigstellen entstehen.“ Sodass viele „Hemsehris“ in Deutschland und Europa zusammenkommen, lautet der Wunsch.
Fereshteh Asadilafmejani, 48 Jahre, Tagesmutter, persische Wurzeln: „Ich bin zwar nicht christlich, aber trotzdem komme ich mit meiner Familie an den Feiertagen zusammen, da sich jeder zu der Zeit Urlaub nimmt. Es gibt zu Weihnachten immer unsere traditionelle Gans. Meine Tochter darf selbst entscheiden, ob sie an Weihnachten oder an dem iranischen Neujahr beschenkt werden möchte. Auf der Arbeit organisiert unser Gruppenleiter jedes Jahr eine große Weihnachtsfeier. Dort wird gewichtelt und schön gegessen. Außerdem treffe ich mich zu dieser besinnlichen Zeit mit meinen Freunden: Wir machen uns gemütliche Serienabende, gehen gemeinsam essen oder besuchen den Weihnachtsmarkt. Diese Zeit ist für mich entspannend und familiär.“
Mahmut Ibrahim
Mahmut Ibrahim, 18 Jahre, Schüler, türkische Wurzeln: „In unserer Kultur ist es sehr unterschiedlich. Ich stamme ursprünglich aus der Türkei und bin dort auch aufgewachsen. Wir feiern eigentlich kein Weihnachten, aber kommen auch mit der Familie zusammen. Dazu gibt es ein leckeres Essen. In der Türkei werden oft an Silvester geschmückte Tannenbäume aufgestellt und es gibt Geschenke für die Kinder. In unserer Familie beschenken wir uns zu den muslimischen Festen. Da ich aber viele deutsche Freunde habe, ist das Weihnachtsfest in meinem Freundeskreis natürlich ein größeres Thema. Wir feiern zusammen und gehen zum Beispiel auf den Weihnachtsmarkt. Das gefällt mir besonders gut, wie auch das Wichteln in der Schule.“
Gudrun Olbert
Gudrun Olbert, 54 Jahre, Inhaberin „Büchergilde“, deutsche Wurzeln: „Für mich hat das Weihnachtsfest eine große Bedeutung, auch wenn es mittlerweile ziemlich kommerziell geworden ist. Generell bedeutet Weihnachten für mich, viel Zeit mit der Familie zu verbringen. Das war schon immer so, früher habe ich zum Beispiel den Baum immer mit meinem Vater zusammen geschmückt. An Heiligabend gibt es bei uns auch immer das gleiche Gericht: Falschen Hasen mit Karotte-Sellerie-Salat. Außerdem mag ich einfach das gemütliche Gefühl rund um die Adventszeit. Die ganzen Lichter und die festliche Beleuchtung erhellen die eigentlich so dunkle Jahreszeit.“
Roberto Nicola
Roberto Nicola, 57 Jahre, Inhaber „Pizzeria Molise“, italienische Wurzeln: „Weihnachten ist bei uns ein riesiges Familienfest. Wir nutzen die Zeit und fahren alle zusammen in den Urlaub. Dann gibt es immer viel Essen und eine besinnliche Zeit mit Kindern, Cousinen, Tanten, Onkeln und Großeltern. Traditionell essen wir an Heiligabend Fisch. Um Mitternacht essen wir einen Lebereintopf und gehen zusammen in die Kirche. Auch am 25. Dezember gibt es in Italien ein großes Mittagessen, bei uns meistens Stockfisch. Was die Bescherung angeht, sollen die Geschenke für die Erwachsenen eher eine kleine Freude sein, die Kinder werden schon etwas reicher beschenkt.“
Mit Weggefährten und Kooperationspartnern aus Kommunalpolitik und sozialer Arbeit feierte der interkulturelle Verein „MigraMundi“ aus Wiesbaden am 11. Dezember sein zehnjähriges Bestehen. Sozialdezernent Christoph Manjura blickte in seinem Grußwort zurück auf eine Dekade erfolgreicher Arbeit mit und für die Stadtgesellschaft und dankte den Frauen des Vereins für ihr tatkräftiges Engagement für Integration und Teilhabe.
Vereinsvorstände und Unterstützer von links) Razieh Hadipour, Aaron Odisho, Valentin Landi, Hanifa Moosa Fuchs, Mina Popal, Zsuszanna Dobos de Prada und Elmira Wilms. Foto: MigraMundi
2009 wurde der Verein von 13 Frauen unter dem Dach des Caritasverbandes gegründet, damals vom Bundesamt für Migration und der Stadt Wiesbaden unterstützt. Als Hauptziel stellte sich der schnell wachsende Verein die Aufgabe, Migrantinnen und deren Familien an die Teilhabe an der Gesellschaft heranzuführen, sie für die Mitarbeit in Gremien und Projekten zu qualifizieren und damit in die Lage zu versetzen, ihre Belange selbst und eigenständig zu vertreten. Die Selbstorganisation und der gesellschaftspolitische Dialog sollten gefördert werden. Wichtig war die Vernetzung untereinander und mit Gremien der Stadt: Ausländerbeirat, Ortsbeiräte, Stadtteilkonferenzen, kulturelle und soziale Einrichtungen.
Nicht auf eine Nationalität beschränkt
Bereits zwei Jahre später war der Verein auf 42 Frauen aus 26 Nationen angewachsen. Das Besondere ist nach wie vor, dass MigraMundi sich auf Frauen und deren Familie konzentriert sowie, im Gegensatz zu anderen Migranten- oder Kulturvereinen, nicht auf eine Nationalität beschränkt. Gremienarbeit gelang von Anfang an, zum Beispiel hat der Verein seit langem einen Sitz im Ausländerbeirat. Aber auch Kulturprojekte wurden unterstützt und angeregt.
Mit dem Einzug in eigene Büroräume in der Innenstadt im Schenk’schen Haus 2010 war MigraMundi endgültig im Bewusstsein und in der Mitte der Stadt angekommen. Bis November 2011 war der Caritasverband noch der Träger des Vereins. Seitdem arbeitet dieser eigenverantwortlich. Zahlreiche Kulturprojekte wie beispielsweise die viel beachtete Ausstellung „Integration ist ein Genuss“ im Stadtmuseum 2015, aber auch Projekte zur Hilfe für Geflüchtete und andere wurden organisiert.
Hauptprojekt zurzeit Integrationsassistentinnen
Hauptprojekt ist seit einigen Jahren die Ausbildung und der Einsatz von Integrationsassistentinnen, die mittlerweile in eine IHK-zertifizierte Ausbildung zu „Sprach- und Kulturmittler*innen“ mündete. Die Zielgruppe sind Migrantinnen mit guten Deutschkenntnissen sowie Kenntnissen und Erfahrungen mit den deutschen Institutionen. Sie sollen zum einen Geflüchtete und Zuwanderer mit geringen Sprachkenntnissen unterstützen, aber auch den Institutionen bei der Arbeit im Umgang mit der genannten Zielgruppe helfen und auf diese Weise sprachliche und kulturelle Barrieren auf beiden Seiten abbauen.
Soll die Fußgängerzone Wellritzstraße um einen Abschnitt erweitert werden? Über diese Idee diskutieren Anwohner und Geschäftsleute in der Titelgeschichte der neuen Ausgabe von Mensch!Westend (M!W). Conni Dinges, Leiterin des Kinderzentrums, schreibt in einem Gastbeitrag über die Erfahrungen in der jetzigen Fußgängerzone. Continue reading →
Ein Haus mit Geschichte: Über dem Eingang der Kita Roonstraße steht „Staedtisches Bad“, da vor dem Umbau hier eine öffentliche Badeanstalt ihren Sitz hatte. Foto: Kita Roonstraße
Von Martina Meisl
Das Haus selbst hat Geschichte, war lange Zeit ein öffentliches Badehaus – nun feiert auch der Nachfolger der „Städtischen Badeanstalt“ schon ein größeres Jubiläum (Fest am 23. August, siehe unten). Vor 20 Jahren hat die Kita Roonstraße die damals komplett umgebauten Räumlichkeiten bezogen. Die Badeanstalt hatte ausgedient und wurde den Bedürfnissen der neuen Nutzer angepasst, ein großes Projekt für knapp eine Million Mark. Der Internationale Bund (IB) übernahm die Trägerschaft und gründete hier eine seiner ersten Kindertagesstätten in Deutschland. Heute bietet sie 20 Halbtags- und 24 Ganztagsplätze für Drei- bis Sechsjährige. Continue reading →
„Ich erinnere mich besonders gerne an eine Reise aus meiner Jugendzeit zurück. Eine Freundin und ich sind mit unseren Rucksäcken von Wiesbaden bis nach Ungarn per Anhalter gefahren. Alle Leute bei denen wir mitgefahren sind, waren supernett. Ich glaube, heute wäre so etwas undenkbar. Wir wurden in Österreich dann von einem Ehepaar mitgenommen, die ein Segelboot auf einem Anhänger mittransportierten. Nach dem wir uns von ihnen wieder getrennt hatten, trafen wir sie dann tatsächlich einen Tag später auf dem Plattensee in Ungarn wieder und haben dann anschließend mit ihnen zuAbend gegessen. Für die gesamte Reise haben wir nur rund einen Tag gebraucht und mit manchen Mitfahrern habe ich heute noch Kontakt.“ Continue reading →